Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Vorverfahrenskosten. Verjährungsfrist. Verjährung des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Erstattung von Vorverfahrenskosten gemäß § 63 SGB 10 unterliegt nach dem Vorbild des § 45 SGB 1 einer Verjährungsfrist von vier Jahren.

2. Die Behörde darf einem Kostenerstattungsanspruch gemäß § 63 SGB 10 auch entgegen halten, dass der zu Grunde liegende Vergütungsanspruch des bevollmächtigten Rechtsanwalts wegen Ablaufs der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB verjährt ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.12.2019; Aktenzeichen B 14 AS 45/18 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. April 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

Die Klägerin stand im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten.

Mit Bescheid vom 14. Mai 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Juni bis November 2008. Unter dem 17. Mai 2008 erging hinsichtlich des Monats Juli 2008 ein Änderungsbescheid. Hiergegen erhob die anwaltlich vertretene Klägerin unter dem 19. Juni 2008 bezogen auf den Monat Juli 2008 Widerspruch, der keinerlei Begründung enthielt. Da die der Klägerin gezahlte Witwenrente ab Juli 2008 erhöht wurde, erließ der Beklagte unter dem 09. Juli 2008 einen Änderungsbescheid für den Zeitraum Juli bis November 2008. Hierbei wurde auch der Abzug von den Heizkosten für die Aufbereitung von Warmwasser korrigiert. Der Beklagte verpflichtete sich mit Bescheid vom 11. Juli 2008, der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren zu erstatten, obgleich eine Begründung des Widerspruches nicht erfolgt war.

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2015 beantragte die Klägerin beim Beklagten auf der Grundlage der Kostenentscheidung die Kostenfestsetzung für das Widerspruchsverfahren. Im Einzelnen wurden die folgenden Gebühren nebst Verzinsung in Ansatz gebracht:

Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV RVG

120,00 €

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Nettobetrag

140,00 €

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

26,60 €

Endsumme

166,60 €

Mit Bescheid vom 15. Januar 2016 lehnte der Beklagte den Kostenfestsetzungsantrag ab. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen seien nicht erstattungsfähig. Der Anspruch scheitere daran, dass die Klägerin nicht mehr verpflichtet sei, die Kosten zu begleichen, da sie ihrem Bevollmächtigten die Einrede der Verjährung entgegen halten könnte.

Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2016 als unbegründet zurück gewiesen.

Mit Urteil vom 24. April 2017 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, die Klägerin von den Rechtsanwaltskosten i.H.v. 166,60 € freizustellen. Die Kosten seien als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig, ohne das es darauf ankomme, dass sich die Klägerin im Innerverhältnis auf Verjährung berufen könne. Die geltend gemachten Kosten würden auch der Höhe nach der Billigkeit entsprechen und seien dementsprechend festzusetzen. Der Freistellungsanspruch sie durchsetzbar, weil sich der Beklagte bislang nicht auf die Einrede der Verjährung berufen habe.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Im Wesentlichen wiederholt er seinen bisherigen Vortrag.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2018 hat der Beklagte die Einrede der Verjährung in Bezug auf den geltend gemachten Freistellungsanspruch erhoben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen. Diese lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft. An die Zulassungsentscheidung des Sozialgerichts ist das Landessozialgericht gebunden (§ 144 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Freistellungsanspruch gegen den Beklagten nicht zu.

Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von insgesamt 166,60 € sowie neben dem Urteil des Sozialgerichts der Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2016, mit dem er die zu erstattenden Kosten auf 0,00 € festgesetzt hat, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Mai 2016.

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