Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. künstliche Befruchtung. keine Zusammenrechnung von zwei unterschiedlichen Behandlungsmethoden. Voraussetzung für Kostenerstattungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Bei § 27a Abs 1 Nr 2 Halbs 2 SGB 5 kommt eine Zusammenrechnung von zwei unterschiedlichen Behandlungsmethoden zur künstlichen Befruchtung (hier: In-Vitro-Fertilisation und Intracytoplasmatische Spermieninjektion) nicht in Betracht.

 

Orientierungssatz

Ein Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (vgl BSG vom 18.5.2004 - B 1 KR 21/02 R = BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung mittels Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI).

Die 1966 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 9. April 2003 eine Kostenzusage für die Durchführung einer weiteren ICSI-Behandlung zwecks Herbeiführung einer Schwangerschaft. Ihr Frauenarzt befürwortete in seiner Stellungnahme vom 16. April 2003 gegenüber der Beklagten die Durchführung eines weiteren Behandlungszyklus. Zwar seien bereits zwei In-Vitro-Fertilisationen (IVF) sowie zwei Intracytoplasmatische Spermien-injektionen (ICSI) durchgeführt worden, dennoch könne eine positive Prognose hinsichtlich eines weiteren Behandlungszyklus abgegeben werden. Nach Auswertung der bisherigen Behandlungsversuche stehe fest, dass mit Ausnahme des einen ICSI-Behandlungszyklus nie die Voraussetzungen für den Eintritt einer Schwangerschaft bestanden hätten. Daher sei es sinnvoll, mit den Behandlungsmaßnahmen fortzufahren. Die Beklagte schaltete daraufhin den MDK ein. Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2003 zu dem Ergebnis, dass im Fall der Klägerin vier vollständig durchgeführte Behandlungszyklen vorliegen würden. Nach den Richtlinien seien damit die Möglichkeiten zur Behandlung zu Lasten der GKV ausgeschöpft. Aus medizinischer Sicht sei bei der vorliegenden extrem schlechten Befruchtungsrate von einer weit unterdurchschnittlichen Erfolgsaussicht weiterer Behandlungen auszugehen. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juni 2003 die Kostenübernahme für eine weitere ICSI-Behandlung ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 8. Juli 2003 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf ein Schreiben der Laborärzte L. vom 4. Juli 2003, wonach in ihrem Fall eine sogenannte aktive Immunmodulationstherapie durchgeführt worden sei.

Der beantragte dritte Behandlungszyklus ICSI wurde beginnend mit einer privatärztlichen Verordnung vom 16. Juli 2003 durchgeführt; es entstanden Gesamtkosten in Höhe von 4.671,53 €.

Der erneut um Begutachtung gebetene MDK stellte in seiner Stellungnahme vom 14. Juli 2003 fest, dass die Immunisierung mit den Lymphozyten des Ehemannes eine Behandlung ist, die sich im experimentellen Stadium befindet und daher nicht Bestandteil der Richtlinien sei. Aufgrund der Ergebnisse der vorausgegangenen fünf Behandlungszyklen könne nach wie vor nicht von einer hinreichenden Erfolgsaussicht ausgegangen werden. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2003 erneut die Kostenübernahme einer weiteren ICSI-Behandlung ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 5. August 2003 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf ein Schreiben ihres behandelnden Frauenarztes, wonach die zunächst durchgeführten Behandlungszyklen im IVF-Verfahren nach dem seinerzeitigen Kenntnisstand korrekt gewesen seien. Nunmehr habe sich herausgestellt, dass eine subtilere Fertilisationsstörung vorliege, welche mit einem üblichen Spermiogramm nicht zu erfassen gewesen sei. Daher sei auf das Verfahren ICSI umgestellt worden und dies habe auch tatsächlich zu einer Befruchtung der Eizellen geführt. Damit sei der Nachweis gegeben, dass bei dem Ehepaar die Grundlage für eine Schwangerschaft vorhanden sei. Dass es bei einem ICSI-Verfahren zu keiner Befruchtung komme, sei nicht weiter außergewöhnlich. Entscheidend sei, dass es sich um einen gangbaren Weg handele. Der eigentliche Behandlungsbeginn sei auf den Beginn der ICSI-Maßnahme zu datieren. Die IVF-Methode sei von Anfang an nicht geeignet gewesen, das Grundproblem zu beseitigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen sei nach § 27a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) auf vier abgeschlossene Therapieversuche begrenzt, wobei vorher abgebrochene Behandlungen nicht berücksichtigt würden. Nach den Feststellungen des MDK sei eine entsprechende Anzahl von Therapieversuchen erfolglos unternommen worden. Das Vorliegen eines medizinisch begründeten Ausnah...

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