Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft

 

Orientierungssatz

1. Voraussetzung einer Übernahme der Kosten für eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung durch den Krankenversicherungsträger ist nach § 27 a ABs. 1 Nr. 2 SGB 5 u. a. , dass nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht auf Erfolg dafür besteht, durch die Maßnahme werde eine Schwangerschaft herbeigeführt.

2. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Dabei handelt es sich um eine unwiderlegliche Vermutung, die auch nicht dann fortfällt, wenn es bei einem vierten Versuch zu einer Schwangerschaft gekommen ist.

3. In-Vitro-Fertilisationen (IVF) und intracytoplasmatische Spermieninjektionen (ICSI) dürfen aufgrund der differenzierten Indikationsstellung nur alternativ angewandt werden. Einzige Ausnahme ist die Fallkonstellation eines totalen Fertilisationsversagens nach dem ersten Versuch einer IVF. In diesem Fall kann in maximal zwei darauffolgenden Zyklen die ICSI zur Anwendung kommen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.08.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine weitere Maßnahme der künstlichen Befruchtung mittels Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI).

Die 1974 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie übersandte der Beklagten mit Schreiben vom 16.06.2011 einen Behandlungsplan für eine Maßnahme zur künstlichen Befruchtung im Universitätsklinikum N (UKM) mittels ICSI vom 10.06.2011. Nach einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit niedriger Fertilisation sei bereits eine Maßnahme mittels ICSI erfolglos durchgeführt worden. Mit Bescheid vom 22.06.2011 sagte die Beklagte den Eheleuten eine anteilige Kostenübernahme zu. Die Maßnahme blieb ohne Erfolg.

Die Eheleute übersandten der Beklagten mit Schreiben vom 10.11.2011 einen Antrag des MVZ Kinderwunsch-und Hormonzentrums N vom 22.09.2011. Das MVZ führte unter Schilderung der bisherigen Behandlungsmaßnahmen aus, es seien noch nicht alle Chancen ausgenutzt. Es gebe gute Chancen für eine erfolgreiche Durchführung einer weiteren Maßnahme mittels ICSI.

In einer von der Beklagten eingeholten Stellungnahme vom 15.12.2011 gab das MVZ an, bei dem Ehepaar seien drei frustrane Versuche, d.h. ohne Eintreten einer klinischen Schwangerschaft, durchgeführt worden, so dass nur eine private Abrechnung möglich sei.

Mit Bescheid vom 04.01.2012 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten einer zusätzlichen ICSI ab. Zur Begründung führte sie aus, alle bisherigen drei Versuche seien ohne Eintreten einer klinischen Schwangerschaft durchgeführt worden. Insofern sei der gesetzlich vorgegebene Höchstanspruch erschöpft. Eine Übernahme der Aufwendungen wegen der beantragten Kostenerstattung für den vierten ICSI-Behandlungsversuch sei nicht möglich.

Hiergegen legten die Eheleute am 20.01.2012 Widerspruch ein und führten zur Begründung aus, bislang seien tatsächlich nur zwei ICSI-Behandlungsversuche durchgeführt worden. Ein weiterer Versuch sei eine IVF-Behandlung gewesen. Sie würden eine wohlwollende Prüfung ihres Widerspruchs erwarten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit an die Klägerin adressiertem Widerspruchsbescheid vom 28.03.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 27a Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung umfassten die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich seien und hinreichende Erfolgsaussicht bestehe, dass eine Schwangerschaft herbeigeführt werde. Eine hinreichende Aussicht bestehe nach Gesetzeslage jedoch dann nicht mehr, wenn die Maßnahmen dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden seien. Bei der Klägerin seien bereits drei Versuche (ICSI und IVF) durchgeführt worden, ohne dass es zum Eintritt einer klinischen Schwangerschaft gekommen sei. Daher bestehe keine hinreichende Erfolgsaussicht für die Herbeiführung einer weiteren Schwangerschaft. Ein Leistungsanspruch für einen weiteren, vierten Versuch bestehe nicht.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.04.2012 beim Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben und noch einmal darauf hingewiesen, dass bislang tatsächlich nur zwei ICSI-Behandlungsversuche durchgeführt worden seien. Bei einem weiteren Versuch habe es sich um eine IVF-Behandlung gehandelt. Da diese von vornherein aussichtslos gewesen sei, könne sie nicht als erfolglose Maßnahme im Sinne von § 27a Abs. 1 SGB V gewertet werden. Demnach bestehe der geltend gemachte Anspruch, da die Maßnahme bislang nur zweimal ohne Erfolg durchgeführt worden sei. Zudem weise sie auf das Urteil des LSG Thüringen vom 13.12.2011 (L 6 KR 439/07) hin. Danach komme bei § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 S...

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