Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Vergütungsfestsetzung. Antragsbefugnis. Abtretung des Vergütungsanspruchs an eine ärztliche Verrechnungsstelle. keine Einwilligung des Begutachteten. Nichtigkeit der Abtretung

 

Orientierungssatz

1. Bei fehlender (schriftlicher) Einwilligung des Begutachteten in die Weitergabe von Behandlungsdaten ist eine Abtretung von Vergütungsansprüchen eines gerichtlichen Sachverständigen nach dem JVEG an eine ärztliche Verrechnungsstelle wegen Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht iVm § 203 Abs 1 Nr 1 StGB nach § 134 BGB nichtig.

2. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Proband durch sein Erscheinen zur Begutachtung konkludent der Weitergabe seiner Gesundheitsdaten an eine Verrechnungsstelle zustimmt.

 

Tenor

Der Antrag auf richterliche Festsetzung der Vergütung für das Gutachten von Dr. D. vom 9. Mai 2019 wird abgelehnt.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Mit Beweisanordnung vom 28. November 2018 beauftragte die Berichterstatterin des 3. Senats im Verfahren L 3 R 845/18 den Chefarzt der Klinik für Psychiatrie Dr. D. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Eine testpsychologische Zusatzbegutachtung wurde genehmigt. Dr. D. erstattete am 7. März 2019 sein Gutachten.

Mit am 22. März 2019 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangener „Rechnungserstellung im Auftrag von Herrn Dr. med. S. D.“ vom 21. März 20198 machte die Erinnerungsführerin, eine ärztliche Verrechnungsstelle, für das Gutachten einen Betrag i.H.v. 4.394,06 Euro geltend. In ihrer Verfügung vom 1. April 2019 teilte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerungsführerin mit, der volle Rechnungsbetrag könne nicht entschädigt werden. Entschädigt werde nur ein Betrag i.H.v. 2.192,56 Euro. Das Gutachten sei nach § 9 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) der Honorargruppe M 2 zuzuordnen und statt 20 Stunden seien für die Beantwortung der Beweisfragen nur 6,66 Stunden anzusetzen.

Dagegen hat die Erinnerungsführerin am 9. Mai 2019 Erinnerung eingelegt. Von Dr. D. werde ein Antrag auf gerichtliche Festsetzung gestellt. Unter Nennung des Klägernamens und mit Bezugnahme auf einzelne Seiten des Gutachtens hat sie besondere differentialdiagnostische Schwierigkeiten und einen hohen Schwierigkeitsgrad vorgetragen. Sie rechtfertigten die Vergütung nach der Honorargruppe M 3. Die Kürzung des Stundenansatzes sei im Übrigen nicht gerechtfertigt. Am 21. Juni 2019 ist beim Thüringer Landessozialgericht eine nicht unterzeichnete „Generalabtretungserklärung für alle Gutachten“ des Dr. D. vom 9. Mai 2019 eingegangen.

Mit Verfügung vom 1. Juli 2019 hat der Berichterstatter die Erinnerungsführerin darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Sachverständigenentschädigung nach dem JVEG dem beauftragten Sachverständigen und damit Dr. D. zustehe. Eine Abtretung komme nur unter Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht in Betracht. Insoweit bedürfe die Weitergabe von Behandlungsdaten an privatärztliche Verrechnungsstellen einer Einwilligung des begutachteten Klägers. Liege diese nicht vor, führe dies nach § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Nichtigkeit der Abtretung.

Die Erinnerungsführerin hat daraufhin geltend gemacht, dass zwischen Sachverständigem und Kläger kein Behandlungsverhältnis entstehe. Es handele sich nicht um ein Arzt-Patientenverhältnis, und es entstünden demgemäß auch keine Behandlungsdaten. Auch andere der ärztlichen Schweigepflicht unterliegende Daten würden nicht weitergegeben. Die Abtretung der Forderung sei im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung mit dem Sachverständigen erfolgt. Mit der Rechnungsstellung würden keine der Schweigepflicht unterliegenden Behandlungs- oder Gesundheitsdaten weitergegeben.

Die Erinnerungsführerin beantragt,

die Vergütung für das Gutachten vom 7. März 2019 auf 4.394,06 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner hat sich inhaltlich nicht positioniert.

II.

Der Antrag auf richterliche Festsetzung ist als unzulässig abzulehnen. Die Erinnerungsführerin ist nicht antragsbefugt.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse dies beantragt oder - wofür hier kein Anlass besteht - das Gericht sie für angemessen hält. Berechtigter ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. Satz 1 Nr. 1 JVEG, wer als Sachverständiger beauftragt worden ist.

Die Erinnerungsführerin ist nicht als Sachverständige beauftragt worden. Der Gutachtensauftrag richtete sich an Dr. D. und er erstattete das Gutachten. Damit ist dieser Berechtigter und nicht die Erinnerungsführerin.

Sie ist auch nicht durch eine Abtretung des Vergütungsanspruchs Berechtigte geworden. Der Senat muss in diesem Verfahren nicht entscheiden, inwieweit die Abtretung eines Vergütungsanspruchs eines Sachverständigen nach dem JVEG überhaupt zulässig ist. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, dass eine solche ...

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