Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Vergütungsfestsetzung. Antragsbefugnis. Abtretung des Vergütungsanspruchs an eine ärztliche Verrechnungsstelle. keine Einwilligung des Begutachteten. Nichtigkeit der Abtretung

 

Orientierungssatz

1. Bei fehlender (schriftlicher) Einwilligung des Begutachteten in die Weitergabe von Behandlungsdaten ist eine Abtretung von Vergütungsansprüchen eines gerichtlichen Sachverständigen nach dem JVEG an eine ärztliche Verrechnungsstelle wegen Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht iVm § 203 Abs 1 Nr 1 StGB nach § 134 BGB nichtig.

2. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Proband durch sein Erscheinen zur Begutachtung konkludent der Weitergabe seiner Gesundheitsdaten an eine Verrechnungsstelle zustimmt.

 

Tenor

Der Antrag auf richterliche Festsetzung der Vergütung für das Gutachten von Dr. D. vom 22. Januar 2019 wird abgelehnt.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Mit Beweisanordnung vom 10. Juni 2018 beauftragte die Berichterstatterin des 12. Senats im Verfahren L 12 R 368/17 den Chefarzt der Klinik für Psychiatrie Dr. D. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Unter dem 3. Juli 2018 ergänzte sie die Beweisanordnung dahingehend, dass eine testpsychologische Begutachtung durch Dipl.-Psych. B. erfolgen solle. Dr. D. erstattete am 28. November 2018 sein Gutachten.

Mit am 18. Dezember 2018 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangener „Rechnungserstellung im Auftrag von Herrn Dr. med. S. D.“ vom 17. Dezember 2018 machte die Erinnerungsführerin, eine ärztliche Verrechnungsstelle, für das Gutachtens einen Betrag i.H.v. 2.887,17 Euro geltend. In ihrer Verfügung vom 19. Dezember 2018 teilte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerungsführerin mit, der volle Rechnungsbetrag könne nicht entschädigt werden. Entschädigt werde nur ein Betrag i.H.v. 2.204,58 Euro. Das Gutachten sei nach § 9 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) der Honorargruppe M 2 zuzuordnen.

Dagegen hat die Erinnerungsführerin am 22. Januar 2019 Erinnerung eingelegt. Nach Rücksprache mit dem Sachverständigen Dr. D. werde ein Antrag auf gerichtliche Festsetzung gestellt. Unter Nennung der erhobenen Diagnosen hat sie besondere differentialdiagnostische Schwierigkeiten und einen hohen Schwierigkeitsgrad vorgetragen. Sie und die Auseinandersetzung mit mehreren Vorgutachten rechtfertigten die Vergütung nach der Honorargruppe M 3. Am 14. Juli 2019 ist beim Thüringer Landessozialgericht eine nicht unterzeichnete „Generalabtretungserklärung für alle Gutachten“ des Dr. D. vom 9. Mai 2019 eingegangen.

Mit Verfügung vom 24. Juni 2019 hat der Berichterstatter die Erinnerungsführerin darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Sachverständigenentschädigung nach dem JVEG dem beauftragten Sachverständigen und damit Dr. D. zustehe. Eine Abtretung komme nur unter Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht in Betracht. Insoweit bedürfe die Weitergabe von Behandlungsdaten an privatärztliche Verrechnungsstellen einer Einwilligung der begutachteten Klägerin. Liege diese nicht vor, führe dies nach § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Nichtigkeit der Abtretung.

Die Erinnerungsführerin hat daraufhin geltend gemacht, dass zwischen Sachverständigem und Klägerin kein Behandlungsverhältnis entstehe. Es handele sich nicht um ein Arzt-Patientenverhältnis, und es entstünden demgemäß auch keine Behandlungsdaten. Auch andere der ärztlichen Schweigepflicht unterliegende Daten würden nicht weitergegeben. Die Abtretung der Forderung sei im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung mit dem Sachverständigen erfolgt. Mit der Rechnungsstellung würden keine der Schweigepflicht unterliegenden Behandlungs- oder Gesundheitsdaten weitergegeben.

Die Erinnerungsführerin beantragt,

die Vergütung für das Gutachten vom 28. November 2018 auf 2.887,17 Euro festzusetzen.

Die Erinnerungsgegnerin ist der Auffassung, dass eine Honorierung des Gutachtens nach Honorargruppe M 3 nicht gerechtfertigt ist.

Der Berichterstatter hat das Verfahren mit Beschluss vom 12. August 2019 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

II.

Der Antrag auf richterliche Festsetzung ist als unzulässig abzulehnen. Die Erinnerungsführerin ist nicht antragsbefugt.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse dies beantragt oder - wofür hier kein Anlass besteht - das Gericht sie für angemessen hält. Berechtigter ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. Satz 1 Nr. 1 JVEG, wer als Sachverständiger beauftragt worden ist.

Die Erinnerungsführerin ist nicht als Sachverständige beauftragt worden. Der Gutachtensauftrag richtete sich an Dr. D. und er erstattete das Gutachten. Damit ist dieser Berechtigter und nicht die Erinnerungsführerin.

Sie ist auch nicht durch eine Abtretung des Vergütungsanspruchs Berechtigte geworden. Der Senat muss in diesem Verfahren nicht en...

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