Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Statthaftigkeit der Beschwerde gem §§ 56 Abs 2, 33 Abs 3 S 1 RVG. Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei der Gebührenfestsetzung. Höhe der Rahmengebühr. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Synergieeffekte. Bedeutung der Angelegenheit, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beschwerdewert (§§ 56 Abs 2, 33 Abs 3 S 1 RVG) errechnet sich aus dem Unterschied zwischen der von der Vorinstanz festgesetzten und der mit der Beschwerde erstrebten Vergütung einschließlich der Umsatzsteuer (vgl LSG Essen vom 28.9.2011 - L 20 SO 424/11 B).

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1, § 33 Abs. 3 S. 1, § 56 Abs. 2, § 3 Abs. 1 S. 1; VV-RVG Nrn. 3103, 1008

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 29. April 2015 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdegegners für das Verfahren S 37 AS 4468/12 auf 268,64 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

Die statthafte Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren durch das Sozialgericht Gotha ist zulässig. Nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) i.d.F. bis 1. August 2013 können die Antragsberechtigten gegen die gerichtliche Festsetzung Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt. Nachdem der Beschwerdeführer im Erinnerungsverfahren beantragt hatte, die Vergütung des Beschwerdegegners entsprechend der Festsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) im Beschluss vom 24. Januar 2014 auf 131,38 Euro festzusetzen und das Sozialgericht sie auf die Erinnerung des Beschwerdegegners auf 334,39 Euro erhöht hatte, bestehen keine Bedenken gegen das Erreichen des Beschwerdewerts. Er errechnet sich aus dem Unterschied zwischen den von der Vorinstanz festgesetzten und die mit der Beschwerde erstrebte Vergütung einschließlich der Umsatzsteuer (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. September 2011 - L 20 SO424/11 B, nach juris; Pukall in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, § 56 Rdnr. 25; Hartmann, Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 33 RVG Rdnr. 20), denn diese ist untrennbarer Bestandteil der zu erstattenden Gebühren und Auslagen. Die Ansicht des Beschwerdegegners, der Beschwerdewert betrage 0,00 Euro, weil es nur auf den Unterschied zur Festsetzung der UdG ankomme, verkennt, dass sie durch den Beschluss der Vorinstanz aufgehoben worden ist. Unerheblich ist, dass die Vorinstanz (fehlerhaft) die Unanfechtbarkeit ihres Beschlusses angenommen hat.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Den beiden Klägern war mit Beschluss vom 20. August 2013 PKH gewährt worden und sie waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 SGG. Dann scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B und 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung seines Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren. Dies ist hier hinsichtlich der beantragten Gebühren der Fall.

Im Ergebnis kommt nur eine auf ¾ gekürzte Mittelgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG in Betracht (= 127,50 Euro); sie ist nach Nr. 1008 VV-RVG um 30 v.H. für einen weiteren Kläger zu erhöhen. Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auch auf die Sache verwenden musste (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris). Im Vergleich mit den übrigen beim Sozial...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge