Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr gem RVG-VV Nr 3103. anwaltliches Tätigwerden. Synergieeffekte wegen Vielzahl gleichgelagerter Verfahren. Nichtbezifferung des geltend gemachten Anspruchs im Klageverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Wird der geltend gemachte Anspruch im Klageverfahren nicht beziffert, scheidet bei der Verfahrensgebühr Nr 3103 VV-RVG eine durchschnittliche Bedeutung aus (vgl LSG Erfurt vom 18.3.2011 - L 6 SF 1418/10 B = ASR 2011, 215).

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 3. Januar 2012 abgeändert und die Gebühren für das Verfahren Az.: S 6 AS 6868/09 auf 151,13 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha (Az.: S 6 AS 6868/09) streitig. Dort begehrte die Klägerin - nicht bezifferte - höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Unterkunft und Heizung, Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung des Ehemanns und Anwendung der Rundungsregelung. Am 27. Mai 2011 verhandelte die 6. Kammer des Sozialgerichts von 9:46 bis 11:94 Uhr elf Verfahren der Klägerin und gewährte nach der Niederschrift der Klägerin in diesem Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete Rechtsanwältin R. bei. Nachdem die Beklagte die Klage in Höhe von 17,27 Euro anerkannt hatte, nahm Rechtsanwältin R. das Anerkenntnis an und nahm - nach richterlichem Hinweis zu den fehlenden Erfolgsaussichten - im Übrigen die Klage zurück.

In ihrer Kostenrechnung vom 6. Juni 2011 beantragten die Rechtsanwälte M. und R. die Festsetzung von 690,20 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG

 170,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

 200,00 Euro

Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG

 190,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 Euro

Summe 

 580,00 Euro

MWSt   

 110,20 Euro

Gesamtsumme

 690,20 Euro

Unter dem 28. Juni 2011 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) den Betrag auf 105,20 Euro (Verfahrensgebühr 57,00 Euro, Terminsgebühr 20,00 Euro, Post- und Telekommunikation 11,40 Euro, MWSt 16,80 Euro) und führte aus, die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sowie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Wegen der Vielzahl gleichgelagerter Verfahren seien Synergieeffekte eingetreten.

Am 14. Juli 2011 hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und u.a. ausgeführt, er könne die Reduzierung der Terminsgebühr nicht nachvollziehen, weil alle Verfahren am 27. Mai 2011 getrennt geladen und verhandelt wurden. Ein Synergieeffekt habe sich allenfalls bei der Anreise ergeben. Hinsichtlich der Einigungsgebühr werde auf den Beschluss des "Sozialgerichts Altenburg" vom 26. November 2008 (Az.: L 6 B 130/08 SF) verwiesen.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2012 hat das Sozialgericht die zu erstattenden Kosten auf 105,20 Euro festgesetzt. Zu Recht habe die UKB die Verfahrensgebühr in Höhe eines Drittels der Mittelgebühr festgesetzt. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei unterdurchschnittlich gewesen; zudem seien durch die zehn weiteren Verfahren Synergieeffekte eingetreten. Unterdurchschnittlich seien auch die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin, die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und die Vermögensverhältnisse. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, weil ein besonderes Bemühen des Anwalts zur Erledigung nicht ersichtlich sei. Eine Einwirkung auf die Klägerin scheide zudem deshalb aus, weil diese zum Termin nicht erschienen war. Ausreichend sei angesichts des geringen Zeitaufwands im Termin der Ansatz der Terminsgebühr als Mindestgebühr.

Gegen den am 28. Februar 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 13. März 2012 Beschwerde eingelegt und im Ergebnis seinen Vortrag im Erinnerungsverfahren wiederholt.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 24. Februar 2012 aufzuheben und seine Gebühren auf 690,20 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 13. April 2012) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebührenist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu er...

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