Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr gem RVG-VV Nr 3103. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Kürzung der Mittelgebühr. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. wortidentische Schriftsätze mit denen eines anderen Verfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nr 3103 VV-RVG findet auch für Gebühren eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG Anwendung (vgl LSG Erfurt, Senatsbeschlüsse vom 15.3.2011 - L 6 SF 975/10 B, 24.11.2010 - L 6 SF 653/10 B und 6.3.2008 - L 6 B 198/07 SF).

2. Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit (§ 14 RVG) ist zu berücksichtigen, wenn Schriftsätze wortidentisch mit Schriftsätzen in anderen Verfahren (hier: der ebenfalls vertretenen Lebensgefährtin des Antragstellers) sind.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 22. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen streitig (Az.: S 11 AS 1245/09 ER).

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 20. März 2009 hob die ARGE Grundsicherung Unstrut-Hainich-Kreis ihre Entscheidung über die Leistungsbewilligung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Januar 2009 teilweise auf und forderte 169,08 Euro zurück. Mit Bescheid vom gleichen Tage rechnete sie die Forderungen teilweise mit laufenden Leistungen auf. Dagegen legte der Beschwerdeführer im Namen des Antragstellers unter dem 1. April 2009 Widerspruch ein und beantragte, die ARGE Grundsicherung einstweilen zu verpflichten, die einbehaltenen Leistungen für April 2009 zumindest vorläufig auszuzahlen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs einstweilig anzuordnen. Einen entsprechenden Antrag mit identischer Begründung stellte er für die Lebensgefährtin des Antragstellers (Az.: S 12 AS 1244/09 ER). Im drei Minuten dauernden Erörterungstermin am 11. Mai 2009 bewilligte das Sozialgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH) ab 5. Mai 2009 und ordnete den Beschwerdeführer bei. Ausweislich der Niederschrift nahm der Antragsteller dann seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurück.

In seiner Kostenrechnung vom 26. Mai 2009 machte der Beschwerdeführer aus der Staatskasse für das Verfahren einen Betrag 575,13 Euro geltend, der sich wie folgt errechnet:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG

250,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

200,00 Euro

Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld

 13,30 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 Euro

Zwischensumme

483,30 Euro

Mehrwertsteuer

 91,83 Euro

Gesamtbetrag

575,13 Euro

Unter dem 29. September 2009 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Zahlung von 259,78 Euro an und führte aus, der Beschwerdeführer sei bereits im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig gewesen. Deshalb sei die Hälfte der Mittelgebühr der Verfahrensgebühr Nr. 3103 angemessen. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller sei durchschnittlich gewesen, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ab 5. Mai 2009 unterdurchschnittlich und die Einkommensverhältnisse des Antragstellers unterdurchschnittlich. Für die Terminsgebühr sei angesichts ihrer Dauer die Hälfte der Mittelgebühr angemessen.

Seine Erinnerung hat der Beschwerdeführer auf die Höhe der Verfahrens- und Terminsgebühr beschränkt. Nach Beschlüssen der Sozialgerichte Oldenburg und Lüneburg finde Nr. 3103 VV-RVG keine Anwendung, wenn der Rechtsanwalt im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt und zuvor im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren tätig gewesen sei. Eine weit unterdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit komme bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in Betracht. Ein weit unterdurchschnittlicher Umfang der anwaltlichen Tätigkeit habe nicht vorgelegen, denn der Leistungsanspruch habe geprüft werden müssen. Zudem handle es sich beim SGB II um eine sehr komplexe und komplizierte Rechtsmaterie. Eine volle Terminsgebühr entstehe mit Wahrnehmung des Termins. Unerheblich sei die Dauer des Termins.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 hat das Sozialgericht Nordhausen die Erinnerung zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung der Grundsatzentscheidung des BSG vom 1. Juli 2010 - Az.: B 4 AS 21/09 R seien, abgestellt auf den Zeitraum der Beiordnung am 5. Mai 2009, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit absolut unterdurchschnittlich gewesen. Es seien keine Schriftsätze mehr gefertigt worden. Die Bedeutung der Angelegenheit sei überdurchschnittlich gewesen, denn es habe die Einstellung laufender Leistungen im Streit gestanden. Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien weit unterdurchschnittlich gewesen und ein besonderes Haftungsrisiko sei nicht zu erkennen. Die Verfahrensgebühr richte sich entsprechend dem Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März 2008 - Az.: L 6 B ...

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