Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Ausübung des Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers nach einem erneuten Betriebsübergang. Verwirkung des Widerspruchsrechts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der gegen den früheren Arbeitgeber gerichtete Widerspruch des Arbeitnehmers gegen einen Betriebsübergang geht ins Leere, wenn inzwischen ein weiterer Betriebsübergang stattgefunden hat.

2. Der Arbeitnehmer hat sein Widerspruchsrecht verwirkt, wenn der Widerspruch erst vier Jahre nach dem Betriebsübergang erklärt wird und zwischenzeitlich nach Abschluss eines Sanierungsarbeitsvertrages mit dem neuen Arbeitgeber in einem im Kündigungsschutzprozess geschlossenen Vergleich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestätigt worden ist.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gera (Entscheidung vom 18.09.2012; Aktenzeichen 2 Ca 168/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.04.2016; Aktenzeichen 8 AZR 728/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 18.09.2012, 2 Ca 168/12, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Seit 1993 arbeitete die Klägerin bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Der Beschäftigungsbetrieb, ein Callcenter in G....., ging am 01.09.2007 von der Beklagten auf die V..... C........ S........ GmbH (künftig: VCS) über und am 01.12.2008 von der VCS auf die T. s......... c........ G.... GmbH (künftig: T........ Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde vom Betriebserwerber jeweils fortgesetzt. Mit der T. schloss die Klägerin am 30.12.2009 einen sog. Sanierungsarbeitsvertrag, dessen § 1 auszugsweise lautet:

Der Arbeitsvertrag regelt abschließend und vollständig die individualrechtlichen Rechte und Pflichten zwischen den Parteien mit Wirkung ab dem 01.01.2010. Er löst die bis dahin bestehenden individuellen Regelungen vollständig ab, insbesondere gelten in dem Arbeitsverhältnis seit dem 01.01.2010 keine tarifvertraglichen Regelungen kollektivrechtlich oder individualrechtlich.

Die Unterrichtung über den ersten Betriebsübergang war fehlerhaft, wie das BAG in einem Parallelfall mit Urteil vom 26.05.2011, 8 AZR 18/10, erkannte. Mit Schreiben vom 05.10.2011 widersprach die Klägerin deshalb gegenüber der Beklagten nachträglich dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die VCS.

Wegen Betriebsschließung kündigte die T....... betriebsbedingt zum 30.06.2012. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage gegen die T........

Soweit im zweiten Rechtszug noch von Interesse hat die Klägerin im Rechtsstreit hier die Feststellung verlangt, dass mit der Beklagten über den 01.09.2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 18.09.2012 abgewiesen. Auf den Tatbestand wird ergänzend Bezug genommen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Widerspruch vom 05.10.2011 sei unwirksam. Das Widerspruchsrecht nach § 613 a Abs.6 BGB sei verwirkt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 01.10.2012 zugestellte Urteil am 26.10.2012 Berufung eingelegt und am 26.11.2012 begründet.

Die Berufung rügt, das Arbeitsgericht verkenne die Voraussetzungen der Verwirkung. Es fehle das Umstandsmoment.

Die Berufung beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Gera vom 18.09.2012, 2 Ca 168/12 teilweise abzuändern und festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 01.09.2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und meint ergänzend, ergänzend, nach dem zweiten Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der VCS auf die T....... habe die Klägerin dem ersten Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die VCS nicht mehr widersprechen können.

Ergänzend wird auf die in der zweiten Instanz gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der Berufungsverhandlung verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Seit dem 01.09.2007 besteht zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr.

Nach § 613 a Abs.1 S.1 BGB ist die Beklagte zum 31.08.2007 wegen Betriebsüberganges auf die VCS aus der Arbeitgeberstellung ausgeschieden. Der mit Schreiben vom 05.10.2011 erklärte Widerspruch der Klägerin verhindert nicht rückwirkend den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die VCS. Der Widerspruch geht ins Leere, weil das Arbeitsverhältnis schon am 01.12.2008 infolge des weiteren Betriebsüberganges auf die T...... übergegangen war. Die Klägerin behauptet nicht, auch insoweit (rechtzeitig) widersprochen zu haben. Zweck des Widerspruches ist, den Betriebserwerber als Arbeitgeber zu verhindern. Dieser Zeck greift nicht, wenn der Betriebserwerber wegen eines weiteren Betriebsüberganges nicht mehr Arbeitgeber ist. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.04.2014, 8 AZR 369/13, erkannt, dass sich der Widerspruch nach § 613 a Abs.6 BGB nur gegen den letzten Übergang des Arbeitsverhältnisses infolge des letzten Betriebsübe...

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