Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit eines Betriebsrats-Beschlusses wegen Beteiligung eines davon betroffenen Betriebsratsmitgliedes

 

Leitsatz (amtlich)

1) Ein von einem Beschluss des Betriebsrats (z. B. gem. §§ 99, 103 BetrVG) betroffenes Betriebsratsmitglied darf weder an der Beratung noch an der Abstimmung des Betriebsrats teilnehmen.

2) Zu der betreffenden Betriebsratssitzung ist das zuständige Ersatzmitglied zu laden.

3) Wird in diesem Fall das zuständige Ersatzmitglied nicht geladen und nimmt überdies das betroffene Betriebsratsmitglied an der Beratung (wenn auch nicht an der Abstimmung) teil, so ist der Beschluss des Betriebsrats, der beabsichtigten Umgruppierung des Betriebsratsmitgliedes gem. § 99 Abs. 2 BetrVG nicht zuzustimmen, unwirksam; die Zustimmung gilt dann gem. § 99 Abs. 3 BetrVG als erteilt.

 

Normenkette

BetrVG §§ 99, 25, 33

 

Verfahrensgang

ArbG Gera (Beschluss vom 23.10.1995; Aktenzeichen 4 BV 7/95)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gera vom 23.10.1995 (4 BV 7/95) abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Antragsgegners zur Umgruppierung des Herrn S. E. von Lohngruppe 6 des Lohnrahmentarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen vom 28.11.1990/08.03.1991 in Lohngruppe 5 als erteilt gilt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung des Antragsgegners (Betriebsrats) zu einer von der Antragstellerin (Arbeitgeberin) beabsichtigten Abgruppierung des Arbeitnehmers E., der zugleich Betriebsratsvorsitzender ist.

Der Arbeitnehmer E. ist bei der Arbeitgeberin als Montageschlosser tätig. Er ist mit der Herstellung von Magnetfilterautomaten beschäftigt. Er ist in die Lohngruppe 6 gem. Lohnrahmentarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen vom 28.11.1990/8.3.1991 (LohnrahmenTV) eingruppiert.

Die Arbeitgeberin führte im Jahre 1995 eine arbeitsanalytische Neubewertung der Arbeitsplätze durch und kam zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer E. eigentlich in die Lohngruppe 5 LohnrahmenTV einzugruppieren sei.

Sie beantragte bei dem Betriebsrat mit Schreiben vom 13./14.3.1995 die Zustimmung zu der beabsichtigten Umgruppierung. Der Betriebsrat beschloss in seiner Sitzung vom 15.3.1995 einstimmig, der beabsichtigten Abgruppierung die Zustimmung zu verweigern.

An der Sitzung des Betriebsrates nahm auch der Betriebsratsvorsitzende E. teil, ohne sich aber an der Abstimmung zu beteiligen. Ein Ersatzmitglied war nicht geladen. Zu dieser Zeit war von drei Ersatzmitgliedern eines im Jahre 1995 für ein ausscheidendes Betriebsratsmitglied nachgerückt.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Eingruppierung des Arbeitnehmers E. in die Lohngruppe 5 sei zutreffend. Dies ergebe sich aus den im einzelnen dargelegten Tätigkeiten des Herrn E., die allenfalls den Anforderungen an einen in 18 Monaten angelernten Arbeitnehmer entsprächen.

Überdies sei die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß erfolgt, da der betroffene Arbeitnehmer E. an der Beratung über die Zustimmungsverweigerung teilgenommen habe, was wegen seiner persönlichen Betroffenheit unzulässig gewesen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht wird auf Bl. 1 – 27, 47 – 57, 68 – 69 und 72 – 88 d. A. verwiesen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrates bezüglich der Umgruppierung des Mitarbeiters E. nicht verweigert ist,

hilfsweise,

die Zustimmung des Betriebsrates zur Umgruppierung des Mitarbeiters E., S. in die Lohngruppe 5 gemäß § 3 Ziff., 2 Abs. 2 LRTV für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, dass diejenigen Arbeiten, mit denen Herrn E. betraut sei, den Anforderungen eines Facharbeiters entsprächen.

Wegen des weiteren Vorbringens des Betriebsrates in der ersten Instanz wird auf Bl. 32 – 45 und 66 d. A. verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat nach der Durchführung einer Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme des Arbeitsplatzes des Herrn E. den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 23.10.1995 zurückgewiesen.

Die Zustimmung des Betriebsrates könne nicht als erteilt gelten, weil die fehlerhafte Anwesenheit des Arbeitnehmers E. bei der Beratung und Beschlussfassung über die Stellungnahme zu seiner eigenen Abgruppierung nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses führe. Es gehe bei der Abgruppierung nicht um die Person des Betriebsratsvorsitzenden E., sondern um die Bewertung eines Arbeitsplatzes, der zur Zeit gerade von ihm eingenommen werde; deshalb sei die Rechtsprechung des BAG zur Teilnahme von betroffenen Betriebsratsmitgliedern an Beratung und Abstimmung über die Zustimmung zu einer Kündigung gem. § 103 BetrVG nicht mit der Teilnahme bei Zustimmungsersetzungen gem. § 99 BetrVG zu vergleichen. Die Anwesenheit des Herrn E. stelle zwar einen Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit dar, dieser berüh...

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