Das Wichtigste in Kürze:

1. Ist der Entschädigungsanspruch wegen des Aussageverhaltens nicht bereits nach § 5 Abs. 2 StrEG ausgeschlossen, muss anhand von § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG geprüft werden, ob Entschädigung zu versagen ist.
2. Klassischer Fall einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung ist die Ablegung eines falschen Geständnisses.
3. § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG wegen "Teilschweigens" ist sowohl seinem Wortlaut als auch seinem Sinngehalt nach nur anwendbar, wenn der Beschuldigte einen wesentlich entlastenden Umstand verschweigt.
4. Bestreitet der Verfahrensbetroffene in Bezug auf seine eigene Person – zutreffend/nicht widerlegbar – den Tatvorwurf, verschweigt aber gleichzeitig den wahren Täter, wirft dies eine Reihe von Fragen auf.
5. Die an sich entschädigungsfähige Maßnahme muss durch den Beschuldigten in fahrlässiger Weise überwiegend mit verursacht worden sein.
 

Rdn 640

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → StrEG-Entschädigung, Allgemeines, Teil I Rdn 281.

 

Rdn 641

1. Ist der Entschädigungsanspruch wegen des Aussageverhaltens nicht bereits nach § 5 Abs. 2 StrEG ausgeschlossen, muss anhand von § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG geprüft werden, ob Entschädigung zu versagen ist. Zur Entschädigungsversagung führen dabei

eine wahrheitswidrige bzw. widersprüchliche Selbstbelastung in wesentlichen Punkten (Alternative 1) oder
ein Teilschweigen bezüglich wesentlich entlastender Umstände (Alternative 2)

wenn die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch adäquat kausal verursacht wurde. Dem Aussageverhalten kommt jedoch nur dann Bedeutung zu, wenn es in der prozessualen Rolle eines Beschuldigten, Angeschuldigten, Angeklagten oder Verurteilten an den Tag gelegt wurde (h.M. BeckOK-StPO/Cornelius, § 6 StrEG Rn 2; Kunz, StrEG, § 6 Rn 5; Meyer, StrEG, § 6 Rn 6; Meyer-Goßner/Schmitt, § 6 StrEG Rn 4).

 

Rdn 642

Schweigen ist auch hier Gold, weil es nicht zum Nachteil des Verfahrensbetroffenen gewertet werden darf (Meyer, StrEG, § 6 Rn 10). Dies gilt auch dann, wenn der Beschuldigte zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und sich erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Sache einlässt; denn die Inanspruchnahme des Schweigerechts darf im Strafverfahren nicht zu Lasten des Beschuldigten gewertet werden und führt trotz des Umstandes, dass für den Ausschluss der Entschädigung der zivilrechtliche Haftungsmaßstab zugrunde zu legen ist, wegen seiner ausdrücklichen Berücksichtigung in §§ 5 Abs. 2 S. 2, 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG von vornherein nicht zur Versagung der Entschädigung (KG StraFo 2009, 129).

 

Rdn 643

2. Klassischer Fall einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung ist die Ablegung eines falschen Geständnisses. Diese wird jedoch i.d.R. im Rahmen der Prüfung des § 6 Abs. 1 Nr., 1 StrEG deshalb keine Rolle spielen wird, weil eine Entschädigung bereits nach § 5 Abs. 2 StrEG ausgeschlossen ist. Widersprüchlich verhält sich ein Beschuldigter im Rahmen seiner Einlassung, wenn er den Tatvorwurf zunächst gesteht, das Geständnis später jedoch widerruft (AG Hann. Münden StraFo 1997, 273) bzw. – in wesentlichen Punkten – mindestens zwei Aussagen tätigt, die sich inhaltlich gegenseitig ausschließen. Einen Grenzfall stellt es dar, wenn sich der Beschuldigte zunächst auf ein – falsches – Alibi beruft, später einen Geschehensablauf schildert, der zum Freispruch wegen nicht auszuschließender Notwehr führt (KG StraFo 2009, 129).

 

Rdn 644

3. § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG wegen "Teilschweigens" ist sowohl seinem Wortlaut als auch seinem Sinngehalt nach nur anwendbar, wenn der Beschuldigte einen wesentlich entlastenden Umstand verschweigt, obwohl er sich – gleichzeitig – zur Sache einlässt. Damit betrifft sie gerade nicht den Fall, dass sich der Verfahrensbetroffene erst als Angeklagter gegenüber seinem Richter einlässt, während er bis dahin geschwiegen hatte (Kunz, StrEG, § 6 Rn 11; a.A. Meyer, StrEG, § 6 Rn 20).

 

☆ Der Vorwurf des Verschweigens führt nur dann zur Versagung von Entschädigungsansprüchen, wenn der Beschuldigte die Umstände , die er verschwiegen haben soll, auch gekannt hatte (OLG Hamm StV 2008, 365; Kunz , StrEG, § 6 Rn 10; Meyer, StrEG, § 6 Rn 26).Umstände, die er verschwiegen haben soll, auch gekannt hatte (OLG Hamm StV 2008, 365; Kunz, StrEG, § 6 Rn 10; Meyer, StrEG, § 6 Rn 26).

 

Rdn 645

Gemeint ist hier, dass der den Tatvorwurf bestreitende Verfahrensbetroffene z.B. verschweigt, zur Tatzeit an einem Schäferstündchen mit seiner Geliebten teilgenommen zu haben (KG GA 1987, 405). Einen wesentlich entlastenden Umstand stellt auch der Teil des Tatgeschehens dar, dem ein Rechtfertigungsgrund zu entnehmen ist. Am Verschweigen fehlt es in diesem Fall aber, wenn der Beschuldigte von Anfang an ein bestimmtes Kerngeschehen schildert und sich dahingehend einlässt, er habe in der von ihm als bedrohlich empfundenen Situation "aus Angst" zugeschlagen; denn er bringt damit zum Ausdruck, in einer Notwehrlage gehandelt zu haben (OLG Köln StraFo 2002, 337).

 

☆ Beim Verschweigen wesentlich entlastender Umstände kann sich der Verfahrensbetroffene zu seiner Rechtfertigung nicht dar...

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