Das Wichtigste in Kürze:

1. Im Aufenthaltsrecht ist für viele behördliche Entscheidung gesetzlich die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet, so dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung entfalten. Dies gilt nicht für das Freizügigkeitsrecht. Für diese Verfügungen muss der Sofortvollzug regelmäßig behördlich angeordnet werden.
2. Die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzuges im Aufenthaltsrecht erfasst nicht die Ausweisung.
3. Das Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist einschlägig, obwohl in der Hauptsache in den meisten Fällen ein Verpflichtungsbegehren – nämlich auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verfolgt wird.
4. Der Untersuchungsgrundsatz gilt im Eilverfahren nur eingeschränkt.
 

Rdn 434

 

Literaturhinweise:

Hofmann-Hoeppel, Vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz, Einstweilige Anordnungen, in: Eiding/Hofmann-Hoeppel, Verwaltungsrecht, Schriftsatzmuster und Erläuterungen, 1. Aufl. 2013, §§ 11, 12, 406 ff.

s.a. die Hinweise bei → Ausländer, Rechtsschutz, Allgemeines, Teil H Rdn 421.

 

Rdn 435

1.a) Das gerichtliche Eilverfahren ist im Aufenthaltsrecht oft erforderlich, weil eine umfassende gesetzliche Anordnung des Sofortvollzuges i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für verschiedene Verfügungen gem. § 84 Abs. 1 AufenthG besteht:

Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
Wohnsitzauflage für eine Ausreiseeinrichtung,
Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung über die Erwerbstätigkeit,
Widerruf des Aufenthaltstitels nach Wegfall asylrechtlicher Privilegierungen,
Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen,
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 S. 1 AufenthG.
 

☆ Die flächendeckende Anordnung des Sofortvollzuges gilt nicht im Bereich des Freizügigkeitsrechts . Widerspruch und Klage haben bei Maßnahmen gegen Unionsbürger in der Regel aufschiebende Wirkung, wenn die Behörde nicht die sofortige Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anordnet."flächendeckende" Anordnung des Sofortvollzuges gilt nicht im Bereich des Freizügigkeitsrechts. Widerspruch und Klage haben bei Maßnahmen gegen Unionsbürger in der Regel aufschiebende Wirkung, wenn die Behörde nicht die sofortige Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anordnet.

Ist die Behörde in einem solchen Fall der Meinung, es bestünde keine aufschiebende Wirkung, und beabsichtigt trotz Widerspruch oder Klage eine Abschiebung, kann beim zuständigen Gericht der Hauptsache deren Feststellung gem. § 80 Abs. 5 VwGO analog beantragt werden.

 

Rdn 436

b) Widerspruch und Klage haben gegen die in § 84 Abs. 1 AufenthG genannten behördlichen Maßnahmen keine aufschiebende Wirkung. Vielmehr muss deren Anordnung gem. § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht beantragt werden. Dies ist unabhängig davon, ob gegen die Entscheidung noch der Widerspruch zur Verfügung steht, oder ob durch Landesrecht das Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde und sofort Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben ist.

 

Rdn 437

2. Die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzuges im Aufenthaltsrecht erfasst nicht die Ausweisung. Deren sofortige Vollziehbarkeit muss die Behörde nötigenfalls gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anordnen. Erfolgt dies nicht, hat die Klage aufschiebende Wirkung und die Ausweisung ist nicht vollziehbar, so dass nicht unmittelbar die Abschiebung droht. Dies ist allerdings anders, wenn Ausweisung und eine sofort vollziehbare Verfügung gemeinsam erlassen werden, z.B. die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

 

☆ Die Durchführung eines Eilverfahrens ist nicht immer zwingend erforderlich. Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist im Gegensatz zu Widerspruch und Klage nicht fristgebunden und kann jederzeit gestellt werden. Gerade wenn eine Abschiebung wegen der Inhaftierung in Strafhaft nicht durchgeführt werden kann, sollte erwogen werden, den Eilantrag aus taktischen Gründen herauszuzögern , bis die Gefahr tatsächlich besteht. Dies erfordert natürlich die genaue Beobachtung des Verfahrens.Eilantrag aus taktischen Gründen herauszuzögern, bis die Gefahr tatsächlich besteht. Dies erfordert natürlich die genaue Beobachtung des Verfahrens.

 

Rdn 438

 

Beispiel:

Der Inhaber einer Niederlassungserlaubnis ist zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Er verbüßt diese im geschlossenen Vollzug. Die Ausländerbehörde verfügt die Ausweisung und ordnet die sofortige Vollziehbarkeit an. Damit erlischt sofort die Niederlassungserlaubnis und der Betroffene verliert alle damit verbundenen Rechte. Ohne Entscheidung der Staatsanwaltschaft gem. § 456a StPO steht der Abschiebung aber ein tatsächliches und rechtliches Hindernis entgegen. Eine Arbeitserlaubnis benötigt der Betroffene ebenfalls nicht, da die Erwerbstätigkeit in der Haft strafvollzugsrechtlich gestattet ist.

Unter diesen Umständen kann es sinnvoll sein, mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zuzuwarten, bis die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbeendigung aus der Haft gegeben sind. Dies ver...

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