Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Recht auf Einreise und Aufenthalt von EU-Bürgern und anderen Freizügigkeitsberechtigten kann ebenfalls aufgehoben werden.
2. Es kann vor Erlangung des Daueraufenthaltsrechts der Verlust bei Wegfall der Voraussetzungen festgestellt werden. Das ist nicht von strafrechtlichen Verurteilungen abhängig.
3. Weiterhin besteht die Möglichkeit der Verlustfeststellung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit.
4. Mit der Rechtskraft der Verlustfeststellung verliert der Betroffene das wegen seiner Unionsbürgerschaft aus dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht erwachsende Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet.
 

Rdn 395

 

Literaturhinweise:

Mahler/Follmer-Otto, Differenzierter Ausweisungsschutz von Unionsbürgern nach dem Urteil Tsakonidis, ZAR 2011, 174

Welte, Rechtsverlust oder Nichtbestehensfeststellung nach erfolgloser Arbeitssuche, ZAR 2014, 190

s.a. die Hinw. bei → Ausländer, Allgemeines, Teil H Rdn 149, und bei → Ausländer, Ausländer, Freizügigkeitsrecht/Unionsbürger, Allgemeines, Teil H Rdn 383.

 

Rdn 396

1. Das Recht auf Einreise und Aufenthalt von EU-Bürgern und anderen Freizügigkeitsberechtigten kann ebenfalls aufgehoben werden. Die Verlustfeststellung ist immer durch Verwaltungsakt vorzunehmen. Sie führt nicht in allen Fällen zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot. Der Verlust der Freizügigkeit führt zur Anwendung des allgemeinen Aufenthaltsrechts.

 

Rdn 397

2. Die Ausländerbehörde kann einerseits innerhalb der ersten fünf Jahre des Aufenthaltes im Bundesgebiet – vor Entstehen des Daueraufenthaltsrechts gem. § 4a FreizügG/EU – gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU feststellen, dass die Voraussetzungen des § 2 FreizügigG/EU entfallen sind. Dies ist aber z.B. von der weiteren Arbeitnehmereigenschaft, der Fortsetzung einer Arbeitssuche oder der selbstständigen Tätigkeit abhängig, nicht von strafrechtlichen Verurteilungen.

 

☆ Dies kann aber natürlich bedeutsam werden, wenn durch eine Verurteilung und ggf. eine Freiheitsstrafe der Arbeitsplatz dauerhaft verlorengeht und längere Zeiträume der Erwerbslosigkeit eintreten.bedeutsam werden, wenn durch eine Verurteilung und ggf. eine Freiheitsstrafe der Arbeitsplatz dauerhaft verlorengeht und längere Zeiträume der Erwerbslosigkeit eintreten.

 

Rdn 398

Außerdem ist gem. § 2 Abs. 7 FreizügG/EU die Feststellung des Nichtbestehens eines Freizügigkeitsrechts möglich, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen nie bestanden haben, z.B. weil Täuschungshandlungen vorliegen oder ein Familiennachzug nie beabsichtigt war.

 

☆ Eine solche Feststellung kann freilich Folge eines entsprechenden Strafverfahrens, z.B. wegen Urkundenfälschung , sein.Urkundenfälschung, sein.

 

Rdn 399

3.a) Gem. § 6 FreizügG/EU kann der Verlust des Freizügigkeitsrechts auf Einreise und Aufenthalt gem. § 2 FreizügG/EU aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit festgestellt werden.

 

☆ Da das Freizügigkeitsrecht seine Grundlage in europäischen Rechtsvorschriften findet, handelt es sich hierbei um originär europarechtlich auszulegende Begriffe , die nicht unbedingt der üblichen Auslegung des deutschen Sicherheits- und Ordnungsrechtes entsprechen.originär europarechtlich auszulegende Begriffe, die nicht unbedingt der üblichen Auslegung des deutschen Sicherheits- und Ordnungsrechtes entsprechen.

 

Rdn 400

Für die Auslegung gilt:

Die öffentliche Ordnung ist betroffen, wenn innerstaatliche Rechtsvorschriften verletzt werden. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr weiterer Rechtsverletzungen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft tangiert.
Unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit fallen die innere und äußere Sicherheit des Staates.
Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit stellen Krankheiten mit epidemischen Potenzial dar (vgl. HK-AuslR/Alexy, § 6 FreizügG/EU Rn 9 ff.; Renner/Dienelt, § 6 FreizügG/EU, Rn 11 ff.).
 

Rdn 401

b) Bei der Verlustfeststellung gem. § 6 Abs. 1 FreizügG/EU handelt es sich um eine behördliche Ermessensentscheidung, die eine Abwägung im konkreten Einzelfall erfordert. Gem. § 6 Abs. 2 FreizügG/EU genügen strafrechtliche Verurteilungen allein nicht, um den Verlust festzustellen. Es muss sich aus den registerfähigen Verurteilungen ein Verhalten abzeichnen, dass eine gegenwärtige Gefahr erneuter Straftaten darstellt, wobei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (vgl. BVerwG). Dabei steht eine Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 56 StGB einer Verlustfeststellung entgegen (so bereits für die spezialpräventive Ausweisung BVerwGE 57, 61 = NJW 1979, 506).

 

Rdn 402

Das gefährdete Rechtsgut muss von erheblichem Gewicht sein. Dabei sinken die Anforderungen an den Grad der hinreichenden Wiederholungsgefahr, je höher das zu bedrohte Rechtsgut zu bewerten ist. Gerade bei Verurteilungen wegen schwerer Kriminalität kann eine einmalige Tatbegehung auch bei ansonsten günstigen Umständen (wie z.B. gesicherten familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen) ausreichen, wenn die Behörden und Gerichte keine ausreichende Tat...

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