Das Wichtigste in Kürze:

1. Verbindliche Gnadengründe gibt es nicht. Gnadengründe in Gnadenordnungen stellen lediglich eine Entscheidungshilfe für den Gnadenträger dar, sind aber nicht abschließend.
2. Die wichtigsten Gnadengründe ergeben sich nicht aus den Gnadenordnungen, sondern aus dem Beschluss des BVerfG vom 23.4.1969 (BVerfGE 25, 352).
3. Die in den Gnadenordnungen der Länder enthaltenen Gnadengründe sind weit gehalten und lassen dem Gnadenträger einen weiteren Beurteilungsspielraum zu. Zur Ausfüllung des Beurteilungsspielraumes muss ein ausreichender Vortrag erfolgen.
 

Rdn 74

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Gnade, Allgemeines, Teil G Rdn 2.

 

Rdn 75

1.a) Verbindliche Gnadengründe, bei deren Vorliegen Gnade zu gewähren ist, gibt es nicht. Daher gilt es das Wesen des Gnadeninstituts zu erfassen, um eine positive Gnadenentscheidung zu erreichen (→ Gnade, Allgemeines, Teil G Rdn 1 ff.). Zwingend erforderlich für einen erfolgreichen Gnadenantrag ist daher eine ausreichende Begründung (→ Gnade, formelle Fragen, Teil G Rdn 56), warum im gegenständlichen Fall eine positive Gnadenentscheidung getroffen werden soll. Dabei sollte man sich stets vor Augen halten, dass eine Einzelfallentscheidung getroffen wird, bei der vom Gnadenträger begehrt wird, dass er von der ursprünglich rechtmäßigen Strafe abweicht. Der Gnadenträger gerät nämlich in ein Spannungsverhältnis im Gewaltenteilungssystem, welche es zu rechtfertigen gilt. Das Spannungsverhältnis besteht, da die grundsätzliche Strafandrohung der Legislative mit dem jeweiligen deliktspezifischen Strafrahmen, welcher von der Judikative im Rahmen der Strafzumessung zu einer konkreten Strafe führte, nunmehr durch den Gnadenakt, der als Akt der Exekutive zu bewerten ist, durchbrochen wird (für eine tiefergehende Betrachtung: Schulz-Merkel, a.a.O., S. 30 ff.; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band III, S. 509 ff.; Schätzler, a.a.O., S. 12; Grewe, a.a.O., S. 120; König, a.a.O., S. 64). Der Übergriff in die fremden Gewalten ist mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz vereinbar, da die Kontrolle der Gewalten und damit auch eine Überschneidung bewusst in Kauf genommen wurde (vgl. König, a.a.O., S. 63 ff.; Seiter, a.a.O., S. 49 ff.).

 

Rdn 76

Eine rechtliche Beurteilung des Gnadenträgers, die anstelle der des Gerichts gesetzt wird, verbietet sich allerdings, da dies originäre Aufgabe der Judikative bleiben muss und somit nicht von der Exekutive ersetzt werden kann. Das Urteil bleibt damit Ausgangspunkt des Gnadenantrages. Aus dieser Stellung heraus wird jedoch die restriktive Handhabung von Gnadenerlassen deutlich, welche sich bei dem Antrag stets vor Augen zu halten ist. Bei einer zu häufigen Gnadenanwendung würde auch das Vertrauen des Volkes in ein funktionierendes Rechtssystem geschwächt werden, da dann die angedrohten und verhängten Strafen letztendlich doch nicht vollstreckt werden. Auch wenn der Schuldspruch durch einen Gnadenerlass nicht aufgehoben wird, so wird dennoch nach außen treten, dass eine verhängte Strafe doch nicht (in dieser Form) vollstreckt wird.

 

Rdn 77

b) Wann Gnade stets in Betracht kommt, kann nichteindeutig gesagt werden. Dies würde auch dem Grundgedanken von Gnade widersprechen, wonach durch Gnade eine Einzelfallgerechtigkeit für solche Fälle, bei denen das Gesetz an seine Grenzen stößt, hergestellt werden soll. Dass die Strafnormen nicht immer zu einer "wahren Gerechtigkeit" führen können liegt darin begründet, dass diese als abstrakt generelle Regelungen eine Vielzahl von Fällen erfassen müssen. Würde jeder Einzelfall betrachtet werden, so müssten die Normen so detailliert und umfangreich sein, dass diese für den Bürger nicht mehr verständlich wären oder so weit gefasst werden, dass auch hierdurch Rechtsunsicherheit eintreten würde. Klar ist, dass die Entscheidung des Gesetzgebers durch den Strafrahmen ein Ermessen einzuräumen die Möglichkeit bietet, Gerechtigkeit zu schaffen. Gnade setzt jedoch genau an diesem Punkt an, wo hierdurch keine Gerechtigkeit mehr geschaffen werden kann.

 

☆ An diesem Punkt ist anzusetzen , wenn ein Gnadenantrag gestellt wird (zur Frage, ob fixe Tatbestandsvoraussetzungen möglich wären, vgl. Schulz-Merkel , a.a.O., S. 65 f.). diesem Punkt ist anzusetzen, wenn ein Gnadenantrag gestellt wird (zur Frage, ob fixe Tatbestandsvoraussetzungen möglich wären, vgl. Schulz-Merkel, a.a.O., S. 65 f.).

 

Rdn 78

Hilfe, wann Gnade in Betracht kommt, bieten ggf. die Gnadenordnungen der Länder (→ Gnade, formelle Fragen, Teil G Rdn 16 ff.) sowie die richtungsweisende Entscheidung des BVerfG vom 23.4.1969 (BVerfGE 25, S. 352; s.u. Rdn 79). Auf diese Regelungen sollte in jedem Fall abgestellt werden, da diese nicht nur für den Antragsstellenden, sondern gerade auch für den Gnadenträger eine wichtige Beurteilungsgrundlage bilden. Nachdem der Gnadenträger jedoch in seiner Entscheidung frei ist, sind diese nur als Hilfe, keinesfalls jedoch als abschließende Regelung zu verstehen.

 

Rdn 79

3. Die wichtigsten Gnadengründe ergeben sich nicht a...

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