Das Wichtigste in Kürze:

1. Unter den Begriff "Strafausstand" fällt zum einen der Strafaufschub (für den Verurteilten, der noch nicht einsitzt) sowie zum anderen die Strafunterbrechung (für den Verurteilten, der sich bereits in der JVA befindet).
2. § 455 Abs. 1 bis 3 StPO regelt die Voraussetzungen für einen Strafaufschub wegen sog. Vollzugsuntauglichkeit.
3. Nach § 455 Abs. 3 StPO ist nach pflichtgemäßem Ermessen der Strafvollstreckungsbehörde die Vollstreckung auch dann aufzuschieben, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist.
4. Die Voraussetzungen für eine Strafunterbrechung sind in § 455 Abs. 4 StPO sind geregelt.
5. Abgesehen von § 455 und § 455a StPO kann eine Strafunterbrechung i.Ü. nur im Gnadenwege erfolgen.
6. Einen Vollstreckungsaufschub in Härtefallen ermöglicht die Vorschrift des § 456 StPO.
7. Gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde kann der Verurteilte Einwendungen erheben, über die gem. § 458 StPO das Gericht zu befinden ha
 

Rdn 297

 

Literaturhinweise:

Artkämper/Herrmann/Jakobs/Kruse, Aufgabenfelder der Staatsanwaltschaft 2008, Rn 883 ff.

Kamann, Handbuch für die Strafvollstreckung und den Strafvollzug, 2. Aufl. 2008, Rn 247 Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn 673 ff.

Volckart/Pollähne/Wagner, Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug, 4. Aufl. 2008, Rn 68 ff.

 

Rdn 298

1.a) Unter den Begriff "Strafausstand" fällt zum einen der Strafaufschub (für den Verurteilten, der noch nicht einsitzt) sowie zum anderen die Strafunterbrechung (für den Verurteilten, der sich bereits in der JVA befindet). Regelungen hierzu finden sich in den §§ 455 f. StPO sowie in den jeweiligen Gnadenordnungen der Länder. Mittlerweile sind diese Entscheidungen, die früher der Staatsanwalt getroffen hat, gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 RpflG dem Rechtspfleger übertragen.

 

☆ Während der Zeit des Strafaufschubes ruht die Verjährung (§ 79a Nr. 2a StGB).ruht die Verjährung (§ 79a Nr. 2a StGB).

b) Der besseren Veranschaulichung über Zuständigkeiten und Rechtsbehelfe dient folgender

 

Rdn 299

 

Überblick: Zuständigkeiten/Rechtsmittel

 
Norm Anlass Zuständigkeit Rechtsmittel
§ 455 StPO

Strafausstand bei schwerer Erkrankung

§ 65 StVollzG
Rechtspfleger

Gerichtliche Entscheidung

§ 458 Abs. 2 StPO
§ 455a StPO

Strafausstand aus organisatorischen Gründen

§ 46a StVollstrO

(Erfordernis der Zustimmung des JM)
Rechtspfleger kein Rechtsmittel
§ 456 StPO

Strafaufschub max. 4 Monate

ab Strafantritt, zu dem geladen wurde
Rechtspfleger

gerichtliche Entscheidung

§ 458 Abs. 2 StPO
§ 456a StPO Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung Rechtspfleger

gerichtliche Entscheidung nach Vorverf.

§ 21 StVollstrO
§ 456c StPO Ausstand bei Berufsverbot Rechtspfleger

gerichtliche Entscheidung

§ 458 Abs. 2 StPO
§ 45 StVollstrO Unterbrechung bei allg. Vollzugsuntauglichkeit Rechtspfleger

Erinnerung an StA § 21 StVollstrO

§ 23 EGGVG

Gnadenentscheidungen nach jew.

Gnadenordnung

(z.B. § 41 GnO NW)
Strafausstand

StA

ggf. AL z.K.

Einwendungen an GStA

z.B. § 21 GnO NW
 

Rdn 300

2. § 455 Abs. 1 bis 3 StPO regelt die Voraussetzungen für einen Strafaufschub wegen sog. Vollzugsuntauglichkeit. Diese liegt vor, wenn der Verurteilte in eine – für einen Behandlungsvollzug ungeeignete – Geisteskrankheit verfällt (Abs. 1) oder anderweitig derart schwer erkrankt, dass von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist (Abs. 2). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die häufig von Verurteilten angeführte Suizidgefahr keinen Grund für einen Strafaufschub darstellt (vgl. Röttle/Wagner, Rn 680).

 

Rdn 301

3. Nach § 455 Abs. 3 StPO ist nach pflichtgemäßem Ermessen der Strafvollstreckungsbehörde die Vollstreckung auch dann aufzuschieben, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist (vgl. z.B. OLG Rostock, Beschl. v. 22.7.2014 – 20 Ws 178/14; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.2.2014 – 2 Ws 22/14). Weder eine Selbstmordgefahr noch eine Schwangerschaft ist ein Grund, die Strafvollstreckung aufzuschieben, sofern der Vollzug Mittel zur Abhilfe wie Behandlungsangebote/Mutter-Kind-Vollzug bereithält (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 21.4.2015 – 2 Ws 122/15).

 

☆ Anträge auf Strafaufschub wegen angeblicher Erkrankung werden vom Verurteilten oder Verteidigern häufig gestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein dem Antrag auf Strafaufschub beigefügtes hausärztliches Attest allein nur in evidenten Fällen unmittelbar zu einer Bewilligung, sondern allenfalls dazu führen wird, dass die Vollstreckungsbehörde eine amtsärztliche Untersuchung anordnet.hausärztliches Attest allein nur in evidenten Fällen unmittelbar zu einer Bewilligung, sondern allenfalls dazu führen wird, dass die Vollstreckungsbehörde eine amtsärztliche Untersuchung anordnet.

 

Rdn 302

Die Vollstreckungsbehörde wird anhand des Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchung sodann abklären, ob eine Unterb...

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