Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 359 Nr. 3 bzw. § 362 Nr. 3 liegt ein absoluter Wiederaufnahmegrund vor, wenn einem der im wiederaufzunehmenden Verfahren beteiligten Richter eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen ist.
2. Die Amtspflichtverletzung muss nach überwiegender Ansicht strafbar sein.
3. Im Wiederaufnahmeantrag muss nicht dargelegt werden, dass das Urteil auf der Amtspflichtverletzung beruht; vielmehr gilt von Gesetzes wegen eine unwiderlegbare Vermutung (sog. absoluter Wiederaufnahmegrund).
4. Hat der Angeklagte die Amtspflichtverletzung selbst oder durch Dritte veranlasst, ist die Wiederaufnahme ausgeschlossen.
5. Im Wiederaufnahmeantrag muss der Richter/Schöffe namentlich benannt und die Pflichtverletzung bezeichnet werden. Ideales Beweismittel ist die Verurteilung des Richters/Schöffen.
 

Rdn 1101

 

Literaturhinweise:

Brauns, Die gescheiterte Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Carl von Ossietzky – Grund für eine Gesetzesänderung?, JZ 1995, 492

Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille, Die erneute Wiederaufnahme des Strafverfahrens, GA 2013, 328

Lehr, Probleme der Bestandskraft und der Aufhebung politisch motivierter Strafurteile aus der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, 2007

Meyer-Goßner, Die Unterbrechung der Verjährung durch einen fehlerhaften Eröffnungsbeschluss (Anmerkung zu BGH JR 1981, 370), JR 1981, 379)

s.a. die Hinw. bei → Wiederaufnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 1054.

 

Rdn 1102

1. Nach § 359 Nr. 3 bzw. § 362 Nr. 3 liegt ein absoluter Wiederaufnahmegrund vor, wenn einem der im wiederaufzunehmenden Verfahren beteiligten Richter eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Von der Vorschrift erfasst sind auch die Schöffen (Marxen/Tiemann, Rn 153). Eine entsprechende Anwendung auf andere am Verfahren beteiligte Personen ist dagegen ausgeschlossen. Die §§ 359, 362 sind aber in der Praxis kaum bedeutsam (so bereits Peters, Fehlerquellen, S. 47).

 

Rdn 1103

2. Für eine Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 3 bzw. § 362 Nr. 3 müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

 

Rdn 1104

a) Die Amtspflichtverletzung muss nach überwiegender Ansicht strafbar sein (Marxen/Tiemann, Rn 153; krit. KMR-Eschelbach, § 359 Rn 107) und sich auf die Strafsache gegen den Angeklagten beziehen.

 

☆ Sie muss sich nicht zwingend gegen diesen selbst richten. Straftatbestände, die ein Richter nur bei Gelegenheit verwirklicht hat, etwa eine Beleidigung des Angeklagten, unterfallen aber nicht §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 ( Marxen/Tiemann , Rn 155).nicht zwingend gegen diesen selbst richten. Straftatbestände, die ein Richter nur "bei Gelegenheit" verwirklicht hat, etwa eine Beleidigung des Angeklagten, unterfallen aber nicht §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 (Marxen/Tiemann, Rn 155).

 

Rdn 1105

Die Pflichtverletzung muss in der Instanz begangen worden sein, deren (Sach)Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist. Wird etwa in der Berufungsinstanz oder im Fall einer Zurückweisung aufgrund erfolgreicher Revision der Sachverhalt erneut festgestellt, erfassen die Vorschriften nicht mehr die strafbare Amtspflichtverletzung in der vorangegangenen Instanz (BGHSt 31, 365, 372 [Wiederaufnahme des Reichstagsbrandprozesses]).

 

Rdn 1106

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist für eine mögliche Wiederaufnahme nach §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 an folgende Straftaten zu denken:

§ 239 (Freiheitsberaubung),
§ 240 (Nötigung),
§ 257 (Begünstigung),
§ 267 (Urkundenfälschung),
§ 331 (Vorteilsannahme),
§ 332 (Bestechlichkeit),
§ 339 (Rechtsbeugung; vgl. zum alten Recht LG Düsseldorf NJW 1959, 1334; LG Lübeck NJW 1998, 1285),
§ 343 (Aussageerpressung) und
§ 344 (Verfolgung Unschuldiger).
 

☆ Hinsichtlich der Frage, ob eine Rechtsbeugung vorlag, ist jeweils das Rechtsverständnis zur Zeit der Verurteilung zugrunde zu legen (BGHSt 39, 75, 85 f. [ Carl von Ossietzky ]; Brauns JZ 1995, 495). Insbesondere bei rechtsfehlerhaften strafprozessualen Absprachen ist an den vergessenen Wiederaufnahmegrund der Rechtsbeugung zu denken ( Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille , a.a.O.).Rechtsbeugung vorlag, ist jeweils das Rechtsverständnis zur Zeit der Verurteilung zugrunde zu legen (BGHSt 39, 75, 85 f. [Carl von Ossietzky]; Brauns JZ 1995, 495). Insbesondere bei rechtsfehlerhaften strafprozessualen Absprachen ist an den "vergessenen Wiederaufnahmegrund" der Rechtsbeugung zu denken (Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille, a.a.O.).

 

Rdn 1107

c) Der Umstand, dass der im Ursprungsverfahren (mit)entscheidende Richter sein Amt durch Täuschung erlangt hat, reicht nicht aus (Meyer-Goßner/Schmitt, § 359 Rn 14; LR-Gössel, § 359 Rn 39). Dies erscheint zwar auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, da bei Fehlen der Voraussetzungen für die Befähigung zum Richteramt (§ 5 DRiG) die Ernennung zum Richter nichtig ist (§ 18 DRiG). Sein Urteil wird dadurch aber gleichwohl nicht nichtig (LR-Gössel, Einl. Kap. 16, Rn 9 und § 359 Rn 36, 39): Das Gericht war zwar in diesem Fall nicht vorschriftsmäßig besetzt, was einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 ...

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