Das Wichtigste in Kürze:

1. Gegen die zuletzt ergangene (negative) Haftentscheidung kann jederzeit Haftbeschwerde gem. § 304 Abs. 1 erhoben werden.
2. Der Beschuldigte oder die StA müssen beschwert sein.
3. Eine Untätigkeitsbeschwerde als solche ist nicht vorgesehen.
4. Richtet sich die Haftbeschwerde gegen eine bereits einmal angegriffene Entscheidung, wird sie in einen Antrag auf Haftprüfung umgedeutet.
5. Die Haftbeschwerde ist neben einem Antrag auf schriftliche oder mündliche Haftprüfung unzulässig.
6. Ändert sich die Zuständigkeit vor Entscheidung über die Haftbeschwerde kann es zu Problemen bei dem für die Entscheidung dann zuständigen Gericht kommen.
7. Für die Haftbeschwerde gelten hinsichtlich der Formalien die allgemeinen Regeln.
8. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den allgemeinen Vorgaben entsprechend den §§ 306 ff.
9. Das Beschwerdegericht kann trotz der ihm zustehenden eigenen Sachentscheidungskompetenz die Invollzugsetzung eines außer Vollzug gesetzten Haftbefehls nur unter den engen Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 beschließen.
10. Die Prüfkompetenz des Beschwerdegerichts ist je nach Verfahrensstand eingeschränkt.
11. Im Beschwerdeverfahren gegen Haftverschonungsbeschlüsse gilt das Verbot der "reformatio in peius" (Verschlechterungsverbot).
12. Die Beschwerdeentscheidung ist zu begründen.
13. Gegen die Entscheidung im Beschwerdeverfahren ist die weitere Beschwerde (§ 310) eröffnet.
 

Rdn 881

 

Literaturhinweise:

Gimbel, Einführung einer allgemeinen Untätigkeitsbeschwerde im Strafprozess durch Gesetz – Begrüßenswerte Neuerung oder Irrweg?, ZRP 2004, 35

Hoffmann, Die Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bei Nichtentscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens – Versuch einer neuen Grenzziehung, NStZ 2006, 256

Mayer/Hunsmann, Leitlinien für die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe in Untersuchungshaftsachen, NStZ 2015, 325

Kruse, Rechtsschutz im Haftverfahren aus anwaltlicher Sicht, JA 2008, 219

Park, Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Rechtsschutzverfahren gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, StV 2009, 276

Park/Schlothauer Rechtswidrige Untersuchungshaft: Nachträglicher Rechtsschutz und Wiedergutmachung, in: FS für G. Widmaier, 2008, S. 387

Rostek, Die aufgedrängte Haftprüfung, StV 2002, 225

Schlicht/Leipold, Zur praktischen Anwendung des § 307 Abs. 2 StPO, StraFo 2005, 90

Welp, Haft und Haftprüfung in: Festschrift für Christian Richter II, 2007, S. 572

s.a. die Hinw. bei → Untersuchungshaft, Allgemeines, Teil B Rdn 806.

 

Rdn 882

1. Gegen die zuletzt ergangene (negative) Haftentscheidung kann jederzeit Haftbeschwerde gem. § 304 Abs. 1 erhoben werden (vgl. zum Ganzen KK-Graf, § 115 Rn 18; Burhoff, EV, Rn 2148, 2151; Herrmann, Rn 1086 ff.; SSW-StPO/Herrmann, § 117 Rn 33; Kruse JA 2000, 210; Meyer-Goßner, § 117 Rn 8; SK-StPO/Paeffgen, § 115 Rn 13 f.; Schlothauer/Weider, Rn 789.

 

Rdn 883

Die Haftbeschwerde ist zulässig gegen jede im Zusammenhang mit der U-Haft ergangene (Haft-)Entscheidung, insbesondere gegen

den Haftbefehl,
die Zurückweisung des Antrages auf dessen Erlass,
die Aufhebung des Haftbefehls (§ 120),
die Außervollzugsetzung des Haftbefehls unter Auflagen (§ 116),
die Entscheidung über eine schriftliche oder mündliche Haftprüfung,
die Anordnung von Auflagen und Weisungen im Zusammenhang mit dem Vollzug der U-Haft oder der Außervollzugsetzung des Haftbefehls,
die vorrangige Vollstreckung von Erzwingungshaft oder U-Haft vor anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen gem. § 116b S. 2,
eine Ablehnung der Benachrichtigung über die U-Haft oder des Rechts auf Versendung eines Zugangsbriefes gem. § 114b.
 

☆ Bereits der im Dezernatsweg erlassene Haftbefehl kann angegriffen werden, noch bevor er überhaupt eröffnet und in Vollzug gesetzt wurde. Der Haftbefehl muss nicht erst vollstreckt werden (OLG Hamm NStZ-RR 2001, 254).im Dezernatsweg erlassene Haftbefehl kann angegriffen werden, noch bevor er überhaupt eröffnet und in Vollzug gesetzt wurde. Der Haftbefehl muss nicht erst vollstreckt werden (OLG Hamm NStZ-RR 2001, 254).

 

Rdn 884

2.a) Der Beschuldigte oder die StA müssen beschwert sein (vgl. §§ 296 ff.). In Haftsachen ist dies – für den Beschuldigten – regelmäßig schon durch die Einschränkung der Freiheit der Fall (allgemein zur Beschwer → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Beschwer, Teil A Rdn 1383, m.w.N.).

 

☆ Auch der flüchtige Beschuldigte ist beschwerdeberechtigt (OLG Stuttgart NStZ 1990, 247).flüchtige Beschuldigte ist beschwerdeberechtigt (OLG Stuttgart NStZ 1990, 247).

 

Rdn 885

b) Eine Beschwer kann auch noch nach Erledigung der hoheitlichen Maßnahme vorliegen. Eine gerichtliche Überprüfung ist wegen des besonderen Feststellungsinteresses auch möglich, wenn der Eingriff inzwischen beendet ist (u.a. BVerfG NStZ 2007, 147; s. auch BVerfG NStZ 2000, 153; 2002, 157; 2007, 413; OLG München StV 2006, 317 mit Anm. Kirchner; a.A. OLG Koblenz StV 2007, 589 [Ls.]; s. zum Ganzen auch SK-StPO/Paeffgen, § 117 Rn 15; Park/Schlothauer, S. 387, allgemein a. Burhoff, EV, Rn 3225).

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