Das Wichtigste in Kürze:

1. Strafbefehle ergehen auf schriftlichen Antrag der StA (der Finanzbehörden) im Rahmen eines summarischen Verfahrens mit im Vergleich zu Urteilen geringeren Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung.
2. Das gerichtliche Verfahren wird mit Eingang des Strafbefehlsantrags anhängig. Rechtshängigkeit tritt erst mit Erlass des Strafbefehls ein.
3. Die Antrags- und Dispositionsbefugnis liegt im Strafbefehlsverfahren zunächst bei der StA (§ 407 Abs. 1), in Steuerstrafverfahren bei den Finanzbehörden (§ 386 Abs. 1 S. 2 AO).
4. Gegenstand des Strafbefehlsverfahrens kann nur ein Vergehen sein (§ 407 Abs. 1 S. 1).
5. Rechtliches Gehör durch das Gericht muss dem Angeschuldigten vor Erlass des Strafbefehls nicht gewährt werden (§§ 407 Abs. 3, 33 Abs. 3).
6. Ein Strafbefehl, gegen den nicht in zulässiger Weise Einspruch eingelegt wurde, steht in seiner Wirkung einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs. 3).
 

Rdn 700

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Das Strafbefehlsverfahren in der Praxis, PStR 2003, 222

Burkhard, Umgrenzungs-, Informations- und Akzeptanzfunktion im Strafbefehl im Steuerstrafverfahren, StraFo 2004, 342

Deckers/Kuschnik, Darf trotz Abwesenheit und Unkenntnis des Angeklagten nach § 408a StPO von der Hauptverhandlung in das Strafbefehlsverfahren gewechselt werden?, StraFo 2008, 418

Esser, Anm. zu OLG Stuttgart StV 2007, 325

Geuenich/Höwer, Die neue gesetzliche Normierung strafrechtlicher Verständigungen – Berührungspunkte und Parallelen zu steuerlichen Absprache, DStR 2009, 2320

Haizmann, Strafbefehlsverfahren in: FA Strafrecht, Teil 2 Kap. 7

Huber, Aus der Praxis: Volles Risiko oder doch nur Teileinspruch gegen Strafbefehl?, JuS 2003, 1209

Lammer, Das Strafbefehlsverfahren, in: StrafPrax, § 7

Leipold/Wojtech, Strafbefehl bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, ZRP 2010, 243

Nobis, Strafverfahren vor den Amtsgerichten, Strafbefehlsverfahren und beschleunigtes Verfahren in: MAH, § 10

ders., Strafverteidigung vor dem Amtsgericht, 2011

Ranft, Grundzüge des Strafbefehlsverfahrens, JuS 2000, 633

Raul/Zschieschack, Reaktionsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft auf verfassungswidrige Strafbefehle, JuS 2005, 802

Schmuck/Leipner, § 411 Abs. 2 S. 1 StPO und Befangenheitsantrag, StraFo 2012, 95, Sommerfeld/Guhra, Zur "Entschädigung des Verletzten" im Verfahren bei Strafbefehlen, NStZ 2004, 420

Zähres, Erlass eines Strafbefehls gem. § 408a StPO in der gem. § 408 III 2 StPO anberaumten Hauptverhandlung?, NStZ 2002, 296

s.a. die Hinw. bei Burhoff, EV, Rn 3449, und bei Burhoff, HV, Rn 2569 und bei → Einspruch, Strafbefehlsverfahren, Teil D Rdn 170.

 

Rdn 701

1. Der Strafbefehl stellt die Entscheidung im Rahmen eines summarischen Strafverfahrens dar, mit der das Gericht zum Ausdruck bringt, dass es den Angeklagten (vgl. § 407 Abs. 1 S. 3) bezüglich der ihm vorgeworfenen Straftat für hinreichend verdächtig hält. Es handelt sich damit um ein "Angebot an den, den es angeht", denn der Angeklagte kann den Strafbefehl rechtskräftig werden lassen und damit die Strafsache kostensparend, ohne Zeitverlust und ohne Aufsehen zu Ende bringen (BVerfG NJW 1969, 1103); andernfalls legt er gegen den Strafbefehl Einspruch ein und erzwingt dadurch die Durchführung einer HV (§ 411 Abs. 1 S. 2). Obwohl der Verurteilung durch Strafbefehl keine strafrechtliche HV vorausgegangen ist, verletzt sie das konventionsverbürgte Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) nicht (EGMR NJW 1993, 717).

 

Rdn 702

2. Das gerichtliche Verfahren wird mit Eingang des Strafbefehlsantrags anhängig. Rechtshängigkeit tritt erst mit Erlass des Strafbefehls ein (OLG Zweibrücken OLGSt StPO § 411 Nr. 1; HK-Kurth, § 407 Rn 11; KK-Maur, § 407 Rn 5; KMR-Metzger, § 401 Rn 42; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 407 Rn 3; a.A. BGHSt 13, 186; OLG Karlsruhe NStZ 1991, 602). Die Gegenauffassung berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Strafbefehlsantrag als Anklageschrift fungiert (OLG Köln StraFo 2001, 200). In Bezug auf diese tritt Rechtshängigkeit aber erst mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses ein (BGHSt 29, 341, 343). Zudem ergibt sich aus § 433 Abs. 1 S. 2, dass dem Einziehungsbeteiligten die Rechte eines Angeklagten auch erst ab Erlass des Strafbefehls zuerkannt werden.

 

Rdn 703

3. Die Antrags- und Dispositionsbefugnis liegt im Strafbefehlsverfahren zunächst bei der StA (§ 407 Abs. 1), in Steuerstrafverfahren bei den Finanzbehörden (§ 386 Abs. 1 S. 2 AO).

 

Rdn 704

a) Bis zur Rechtshängigkeit kann die StA wie folgt disponieren:

Vor Erlass des Strafbefehls kann der Antrag entsprechend § 156 zurückgenommen werden.
Ab Erlass des Strafbefehls bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein zulässiger Einspruch eingeht oder nicht mehr möglich ist, erscheint es sachgerecht, der StA die Dispositionsbefugnis über deren Antrag ebenfalls zuzubilligen (str., s. OLG Karlsruhe NStZ 1991, 602).
Nach Eingang eines zulässigen Einspruchs bis zum Beginn der HV kann der Antrag auf Erlass des Strafbefehls ebenfalls nach freier Entscheidung der StA zurückgenommen werden (§ 411 Abs. 3); die gilt nicht in...

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