Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Beteiligten des Verwaltungsprozesses können in einem Zwischenverfahren vor einem besonderen Fachsenat des OVG bzw. des BVerwG die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage bzw. der Auskunftserteilung überprüfen zu lassen.
2. Der Antrag auf Durchführung des Zwischenverfahrens ist nicht form- oder fristgebunden.
3. Zuständig für das "in-camera-Verfahren" ist grds. das OVG.
4. Der Fachsenat prüft, ob die Weigerung der Behörde, die Informationen dem Verwaltungsgericht zugänglich zu machen, rechtmäßig ist.
5. Gegen die Entscheidung des Fachsenats eines OVG ist die Beschwerde statthaft.
 

Rdn 668

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 677.

 

Rdn 669

1. Nach § 99 Abs. 1 S. 1 VwGO sind Behörden im Verwaltungsprozess verpflichtet, dem Gericht Urkunden und Akten vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Die oberste Aufsichtsbehörde kann jedoch nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO die Vorlage und Auskunftserteilung verweigern, wenn sie dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Will die Behörde verhindern, dass die von ihr für das Strafverfahren nach § 96 gesperrten Akten oder Informationen im Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung vor dem VG offengelegt werden, wird sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen (vgl. BVerwG DVBl 2003, 869, 870). Das VG ist an die Weigerung der Behörde gebunden; eine eigene Überprüfungsmöglichkeit steht ihm nicht zu (BVerwG NVwZ 2004, 745, 746; Redeker/von Oertzen, VwGO § 99 Rn 17). Dagegen haben die Beteiligten des Verwaltungsprozesses nach § 99 Abs. 2 S. 1 VwGO die Möglichkeit, die Verweigerung der Aktenvorlage bzw. der Auskunftserteilung in einem gesonderten Verfahren durch einen speziellen Spruchkörper überprüfen zu lassen. Dabei werden einem für Verfahren dieser Art gebildeten Fachsenat des OVG bzw. des BVerwG die gesperrten Akten zur Verfügung gestellt bzw. die verweigerten Auskünfte erteilt (§ 99 Abs. 2 S. 5 VwGO). Der Fachsenat entscheidet sodann unter Beachtung des materiellen Geheimschutzes (§ 99 Abs. 2 S. 7 VwGO) darüber, ob die Weigerung der Behörde, die Akten oder Informationen im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren zur Verfügung zu stellen, berechtigt ist. Weder die Beteiligten des Hauptsacheverfahrens noch die Öffentlichkeit erhalten hierbei Kenntnis vom Inhalt der Akten oder vom Gegenstand der Auskünfte ("in-camera").

 

Rdn 670

2.a) Der Antrag auf Durchführung des Zwischenverfahrens ist nicht form- oder fristgebunden. Er kann von allen Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei dem Gericht der Hauptsache gestellt werden (§ 99 Abs. 2 S. 3 VwGO; s.a. Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 99 Rn 18).

 

Rdn 671

b) Zur Klarstellung des Gegenstands des Zwischenverfahrens ist grds. erforderlich, dass das VG die Entscheidungserheblichkeit der nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO verweigerten Akten oder Auskünfte für das (Hauptsache-)Verfahren förmlich bejaht hat (BVerwG NJW 2010, 2295, 2296; NVwZ 2006, 1423; 2010, 1495, 1496; 2012, 112).

 

☆ Auf einen entsprechenden Beweisbeschluss oder eine ähnlich förmliche Äußerung des Gerichts kommt es jedoch nicht an, wenn Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens eine Klage gegen eine Sperrerklärung nach § 96 ist. Denn die im Verwaltungsprozess zurückgehaltenen Informationen sind in Fällen dieser Art zweifelsfrei rechtserheblich. Die Rechtserheblichkeit ist nämlich immer dann gegeben, wenn – wie hier – die Pflicht zur Vorlage der Akten bzw. Erteilung der Auskünfte gerade Gegenstand des Hauptsacheverfahrens vor dem VG ist und dessen Entscheidung allein von der Frage der Geheimhaltungsbedürftigkeit abhängt (BVerwG NVwZ 2006, 1423; 2010, 1495, 1496; OVG Lüneburg NVwZ-RR 2005, 819).Beweisbeschluss oder eine ähnlich förmliche Äußerung des Gerichts kommt es jedoch nicht an, wenn Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens eine Klage gegen eine Sperrerklärung nach § 96 ist. Denn die im Verwaltungsprozess zurückgehaltenen Informationen sind in Fällen dieser Art zweifelsfrei rechtserheblich. Die Rechtserheblichkeit ist nämlich immer dann gegeben, wenn – wie hier – die Pflicht zur Vorlage der Akten bzw. Erteilung der Auskünfte gerade Gegenstand des Hauptsacheverfahrens vor dem VG ist und dessen Entscheidung allein von der Frage der Geheimhaltungsbedürftigkeit abhängt (BVerwG NVwZ 2006, 1423; 2010, 1495, 1496; OVG Lüneburg NVwZ-RR 2005, 819).

 

Rdn 672

3.a) Zuständig für das "in-camera-Verfahren" ist grds. das OVG (§ 99 Abs. 2 S. 1 VwGO). Erfolgt die Verweigerung der Aktenvorlage bzw. Auskunftserteilung im Verwaltungsprozess durch eine oberste Bundesbehörde, begründet dies nach § 99 Abs. 2 S. 2 VwGO die Zuständigkeit des BVerwG. Gleiches gilt, wenn das BVerwG für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist. Das ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO bei Klagen der Fall, denen Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes ...

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