Rdn 2351

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006.

 

Rdn 2352

1. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 sichert das Recht auf den gesetzlichen Richter. Eine Verfahrensrüge kommt deshalb in Betracht, wenn gegen Vorschriften zur Gerichtsbesetzung, insbesondere der §§ 21a ff., 59, 70, 76 Abs. 2, 78 Abs. 2, 122 GVG oder 18, 19, 29, 37 DRiG verstoßen worden ist. Das Recht auf den gesetzlichen Richter erstreckt sich hierbei nur auf eine bestimmte Zusammensetzung der Richterbank, nicht darauf, wer im Einzelfall welche Funktion ausübt (s. BGH, Beschl. v. 6.8.2014 – 1 StR 333/14 [zeitweise Übertragung der Verhandlungsleitung auf den Beisitzer]). Nicht unter die Vorschrift fallen Verstöße gegen die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit. Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der örtlichen oder funktionellen Zuständigkeit sind gemäß § 338 Nr. 4 zu rügen. Die sachliche Zuständigkeit ist stets von Amts wegen zu prüfen.

 

Rdn 2353

Der Verteidiger sollte deshalb insbesondere folgende Problemfelder im Auge haben (zu Besetzungsfragen ausführlich Burhoff, EV, Rn 940 ff. u. Burhoff, HV, Rn 791 ff., mit Checklisten):

Liegen Mängel bei der Aufstellung bzw. Abänderung des Geschäftsverteilungsplans (vgl. BGHSt 3, 353; 11, 106, 109; 12, 402; s. auch BVerfG NJW 2003, 345) oder der internen Zuständigkeitsverteilung des Spruchkörpers vor?

 

☆ Bei Abweichungen der Gerichtsbesetzung vom Geschäftsverteilungsplan , soll die Rüge des § 338 Nr. 1 nach der Rspr. nur bei Willkür oder sonstigem Rechtsmissbrauch begründet sein (BGHSt 11, 106, 110; BGH NStZ 1984, 181; 2004, 89; NStZ-RR 2013, 221; vgl. auch BGH NJW 2009, 931 zur Bestimmung des Vorsitzenden einer Großen StK).Abweichungen der Gerichtsbesetzung vom Geschäftsverteilungsplan, soll die Rüge des § 338 Nr. 1 nach der Rspr. nur bei Willkür oder sonstigem Rechtsmissbrauch begründet sein (BGHSt 11, 106, 110; BGH NStZ 1984, 181; 2004, 89; NStZ-RR 2013, 221; vgl. auch BGH NJW 2009, 931 zur Bestimmung des Vorsitzenden einer Großen StK).

Wenn an der HV nur zwei Berufsrichter teilnehmen ist stets zu prüfen, ob überhaupt eine Entscheidung nach § 76 Abs. 2 GVG ergangen ist. Falls ja, ist weiter zu prüfen, ob diese Entscheidung ordnungsgemäß getroffen wurde, d.h. insbesondere die Frage der Notwendigkeit eines dritten Berufsrichters im Hinblick auf den Umfang und die Schwierigkeit der Sache zu Recht verneint wurde (BGHSt 44, 328; BGH NJW 2003, 3644; 2010, 3045; eingehend zur reduzierten Besetzung im Hinblick auf die Neuregelung des § 76 Abs. 2 GVG Burhoff, EV, Rn 3252, und Burhoff, HV, Rn 2208, jew. m.w.N. aus der Lit.).
Ist die Verhinderung der ordentlichen Kammermitglieder ausreichend festgestellt, falls vertretungsweise außerordentliche Kammermitglieder am Verfahren teilnehmen (BGH NStZ 1996, 48; 2001, 491)?

Ist die Besetzung der Strafkammer mit Schöffen ordnungsgemäß (vgl. z.B. BGHSt 37, 245 ff. [fehlerhafte Besetzung des Wahlausschusses]; BGH StV 2001, 156 [Überprüfung von Vorschlagslisten]; NStZ-RR 1999, 49 [Wiederholung einer vorschriftswidrigen Schöffenwahl]; BayObLG StV 1998, 8 [Fristeinhaltung bei der Auslage der Vorschlagslisten]).

 

☆ Der Besetzungsmangel muss immer das erkennende Gericht betreffen , also die Personen, die das angegriffene Urteil gefällt haben. Auf einen Mangel in der Person eines abgelösten Richters, der durch einen Vertretungs- oder Ergänzungsrichter ersetzt wurde, kann die Revision nicht gestützt werden (BGHSt 47, 220).Besetzungsmangel muss immer das erkennende Gericht betreffen, also die Personen, die das angegriffene Urteil gefällt haben. Auf einen Mangel in der Person eines abgelösten Richters, der durch einen Vertretungs- oder Ergänzungsrichter ersetzt wurde, kann die Revision nicht gestützt werden (BGHSt 47, 220).

 

Rdn 2354

2.a) Bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG oder dem OLG muss die Gerichtsbesetzung nach § 222a mitgeteilt werden. Will der Verteidiger die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts rügen, muss er seine Einwände gem. § 222b spätestens bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten in Form einer Besetzungsrüge geltend machen (ausführlich zum Besetzungseinwand mit einer umfangreichen Checkliste Burhoff, HV, Rn 791 ff. und Rn 801 f.). Andernfalls kann er sich auf den Verfahrensfehler der vorschriftswidrigen Besetzung nach § 338 Nr. 1 in der Revision nicht mehr berufen (Rügepräklusion). Der Besetzungseinwand ist in der HV mündlich zu erheben und so zu begründen, wie eine Besetzungsrüge in der Revision. Das heißt, die Rügevoraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 sind einzuhalten, sonst ist der Besetzungseinwand unzulässig (BGHSt 44, 161).

 

☆ Aufgrund der strengen Formerfordernisse empfiehlt es sich, den Besetzungseinwand und seine Begründung schriftlich zu formulieren und diesen schriftlichen Einwand in der HV zu verlesen und als Anlage zum Protokoll zu übergeben.strengen Formerfordernisse empfiehlt es sich, den Besetzungseinwand und seine Begründung schriftlich zu formulieren und diesen schriftl...

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