Das Wichtigste in Kürze:

1. Auch der gewählte Verteidiger benötigt zur Vertretung eine besondere Legitimation.
2. Eine schriftliche Vertretungsvollmacht benötigt auch der dem Angeklagten bestellte Pflichtverteidiger.
 

Rdn 1810

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Vollmacht, Allgemeines, Teil A Rdn 1769.

 

Rdn 1811

1.a) Auch der gewählte Verteidiger benötigt zur Vertretung des Mandanten eine besondere Legitimation (Burhoff, EV, Rn 4234 f.; Burhoff, HV, Rn 3208), weil sich Verteidigung einerseits und Vertretung andererseits nicht nur begrifflich, sondern auch funktional unterscheiden (vgl. OLG Hamm StV 1997, 404 [Ls.]; VRR 2012, 392).

 

☆ Diesbezüglich sollte die Vollmachtsurkunde etwa Folgendes beinhalten: … wird hiermit (…) Vollmacht erteilt zur Vertretung in Strafsachen und Bußgeldsachen (§§ 302, 375 StPO) einschließlich der Vorverfahren sowie (für den Fall der Abwesenheit) zur Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO und mit ausdrücklicher Ermächtigung nach §§ 233 Abs. 1, 234 StPO … (vgl. u.a. OLG Bamberg NStZ-RR 2007, 180; VRR 2011, 472; StraFo 2006, 425).Vollmachtsurkunde etwa Folgendes beinhalten: "… wird hiermit (…) Vollmacht erteilt zur Vertretung in Strafsachen und Bußgeldsachen (§§ 302, 375 StPO) einschließlich der Vorverfahren sowie (für den Fall der Abwesenheit) zur Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO und mit ausdrücklicher Ermächtigung nach §§ 233 Abs. 1, 234 StPO …" (vgl. u.a. OLG Bamberg NStZ-RR 2007, 180; VRR 2011, 472; StraFo 2006, 425).

 

Rdn 1812

b) Vertretungsfälle. Jeder Angeklagte kann sich vertreten lassen. Das galt bislang bereits in folgenden

 

Rdn 1813

 

Vertretungsfällen:

in Bagatellverfahren (§§ 232 Abs. 1, 234), wenn an ihn der Hinweis ergangen ist, dass auch ohne ihn verhandelt werden kann und sein persönliches Erscheinen (ggf. erstmals im Berufungsrechtszug) nicht angeordnet (§ 236) worden war;
in Strafbefehlsverfahren (§ 411 Abs. 2 S. 1), ausgenommen Fälle des § 408 Abs. 3 S. 2, in denen das AG den beantragten Strafbefehl nicht erlassen, sondern auf dessen Basis HV anberaumt hatte. Die Vertretungsmöglichkeit im Ausgangsverfahren wirkt im Berufungsrechtszug fort (OLG Dresden StV 2005, 492), weshalb in diesen Fällen eine Verwerfung selbst dann nicht möglich ist, wenn das Berufungsgericht das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet hat (OLG Düsseldorf StV 1985, 52);
Handelt es sich um einen Bagatellvorwurf, der im Strafbefehlsverfahren abgeurteilt wurde, richtet sich die Zulässigkeit der Vertretung ausschließlich nach § 412 Abs. 2 S. 1 (OLG Dresden StV 2005, 492 [lex specialis]; OLG Hamburg NJW 1968, 1687), sodass Vertretung im Berufungsrechtszug auch ohne Hinweis nach § 232 Abs. 1 und trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nach § 236 möglich ist.
in der Revisions-HV (§ 350 Abs. 2 S. 1).
 

☆ Eine Ausdehnung der Vertretungsmöglichkeit auf andere Fälle ist durch die EMRK geboten (EGMR StraFo 2012, 490) und dieser Entscheidung folgend durch das Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe v. 17.7.2015 (BGBl I S. 1332) erweitert worden für die Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung (§ 329 Abs. 1; →  Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines , Teil A Rdn  57 , m.w.N.).Ausdehnung der Vertretungsmöglichkeit auf andere Fälle ist durch die EMRK geboten (EGMR StraFo 2012, 490) und dieser Entscheidung folgend durch das Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe v. 17.7.2015 (BGBl I S. 1332) erweitert worden für die Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung (§ 329 Abs. 1; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines, Teil A Rdn 57, m.w.N.).

 

Rdn 1814

c) Da die Bevollmächtigung dem Nachweis der Vertretungsbefugnis dient, bedarf sie der Schriftform (§§ 234, 411 Abs. 2 S. 1) und sollte dem Gericht spätestens zu Beginn der HV vorliegen. Rechtzeitigkeit ist insoweit auch gegeben, wenn die Vollmacht am Vortag der HV (per Telefax) eingeht, dem Gericht aber erst nach Verwerfung des Rechtsmittels vorgelegt wird (BayObLG NStZ-RR 2002, 79). Die Vertretungsvollmacht kann weder dadurch ersetzt werden, dass der Verteidiger anwaltlich versichert, auch zur Vertretung bevollmächtigt zu sein, noch, dass die zunächst nur mündlich erfolgte Bevollmächtigung im Nachhinein schriftlich bestätigt wird (OLG Saarbrücken NStZ 1999, 265; Burhoff, HV, Rn 2574 f.).

 

☆ Da die Bevollmächtigung selbst nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht (§ 167 Abs. 2 BGB), bedarf, kann der Verteidiger zur Vertretung des Angeklagten durch diesen mündlich ermächtigt wurde, die Vertretungsvollmacht selbst unterzeichnen (BayObLG NStZ 2002, 277; KG StRR 2014, 38; OLG Celle VRR 2014, 83 [Ls.]; OLG Dresden StRR 2013, 26 m. Anm. Reichling ; einschränkend SK-StPO/ Deiters...

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