Das Wichtigste in Kürze:

1. § 59 JGG regelt die Anfechtbarkeit von Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Strafaussetzung zur Bewährung stehen.
2. § 59 Abs. 1 bezieht sich auf die Aussetzungsentscheidung als solche ("ob").
3. § 59 Abs. 2 JGG bezieht sich auf die Modalitäten der Strafaussetzung ("wie").
4. Selbst wenn der Richter die Aussetzung der Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung im Urteil abgelehnt hat, kann diese noch nachträglich gem. § 57 Abs. 2 JGG angeordnet werden.
5. Gegen den Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe (§ 26 Abs. 1 JGG) ist gem. § 59 Abs. 3 JGG sofortige Beschwerde zulässig.
6. Der Beschluss über den Straferlass (§ 26a JGG) ist gem. § 59 Abs. 4 JGG nicht anfechtbar.
 

Rdn 673

 

Literaturhinweise:

Heinrich, Zur Anfechtbarkeit der den Widerruf eines Strafaussetzung zur Bewährung ablehnenden Entscheidung im Jugendstrafverfahren, NStZ 2006, 417

Jäckel, Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe, Strafaussetzung zur Bewährung und Vorbewährung im Jugendstrafrecht, JA 2010, 539

Schäfer, Das Berufungsverfahren in Jugendsachen, NStZ 1998, 330

Walter/Pieplow, Zur Zulässigkeit eines Vorbehalts der Vollstreckbarkeitsentscheidung, insbesondere einer "Vorbewährung" gemäß § 57 Jugendgerichtsgesetz, NStZ 1988, 165

s.a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 620.

 

Rdn 674

1. § 59 JGG regelt – abweichend vom allgemeinen Rechtsmittelsystem – die Anfechtbarkeit von Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Strafaussetzung zur Bewährung stehen.

 

Rdn 675

§ 59 Abs. 1 JGG ist anwendbar auf:

Jugendliche, auch wenn sie von einem allgemeinen Gericht verurteilt werden (§ 104 Abs. 1 Nr. 7 JGG),
Heranwachsende dann, wenn materielles Jugendstrafrecht auf sie angewendet wird (§ 109 Abs. 2 JGG).
 

Rdn 676

2. § 59 Abs. 1 JGG bezieht sich auf die Aussetzungsentscheidung als solche ("ob").

 

Rdn 677

a) Gegen eine Entscheidung, durch welche die Aussetzung der Jugendstrafe angeordnet oder abgelehnt wird, ist gem. § 59 Abs. 1 S. 1 JGG, wenn sie für sich allein angefochten wird, sofortige Beschwerde zulässig (allgemein dazu → Beschwerde, sofortige, Teil A Rdn 550). Das Gleiche gilt gem. § 59 Abs. 1 S. 2 JGG, wenn ein Urteil nur deshalb angefochten wird, weil die Strafe nicht ausgesetzt worden ist.

 

Rdn 678

aa) § 59 Abs. 1 S. 1 JGG betrifft die Anordnung oder ausdrückliche Ablehnung der Aussetzung der Jugendstrafe, gleichgültig ob das Gericht durch Urteil oder nachträglich durch Beschluss entschieden hat (Eisenberg, § 59 Rn 20; Brunner/Dölling, § 59 Rn 4). Seit 7.3.2013 kann – neben der Aussetzung der Verhängung oder Vollstreckung der Jugendstrafe – ein sog. "Warnschussarrest" nach § 16a JGG verhängt werden (BGBl 2012, S. 1854). Die Anordnung der Aussetzung und die daneben erfolgte Verhängung des Jugendarrests können nur gemeinsam angefochten werden.

 

Rdn 679

bb) § 59 Abs. 1 S. 2 JGG erfasst die Fälle, in denen nach §§ 61 ff. JGG (Rechtslage bis 6.10.2012: § 57 Abs. 1 JGG) die Entscheidung über die Strafaussetzung dem nachträglichen Beschlussverfahren vorbehalten bleiben soll (sog. "Vorbewährung" → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 625). Aus der Gesetzesfassung folgt, dass nur zugunsten des Verurteilten ein Anfechtungsrecht besteht, also nur mit dem Ziel, die Jugendstrafe sofort zur Bewährung auszusetzen. Die StA kann daher das Urteil mit dem Ziel, eine unbedingte Jugendstrafe zu erreichen nur mit der Berufung oder Revision angreifen, nicht mit der sofortigen Beschwerde (OLG Schleswig SchlHA 1978, 90; OLG Stuttgart NStZ 1986, 219; Ostendorf, § 59 Rn 4; Eisenberg, § 59 Rn 6; D/S/S-Schatz, § 59 Rn 10; a.A. OLG München NStZ-RR 2005, 152; Brunner/Dölling, § 59 Rn 4; Walter/Pieplow NStZ 1988, 169).

 

Rdn 680

b) Zweck der Vorschrift ist eine Verfahrensbeschleunigung. Wenn es "nur" um Fragen der Strafaussetzung zur Bewährung geht, sollen die im zügigen Beschwerdeverfahren geklärt werden, um insgesamt "schnell zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu gelangen" (BT-Drucks 1/3264 S. 46).

 

Rdn 681

c)aa) Wird das Urteil insgesamt oder der gesamte Rechtsfolgenausspruch angegriffen, so führt dies auch im Berufungs- oder Revisionsverfahren zur Überprüfung der Bewährungsentscheidung. Wird nur die Frage der Strafaussetzung angegriffen, so wird – unabhängig von der Bezeichnung als Berufung oder Revision – das Rechtsmittel als sofortige Beschwerde behandelt (OLG München NStZ-RR 2005, 152; D/S/S-Schatz, § 59 Rn 5, 9; Schäfer NStZ 1998, 330, 332). Dies gilt auch dann, wenn die Aussetzungsfrage mit der Straffrage untrennbar verbunden ist und nach allgemeinen Grundsätzen eine gesonderte Betrachtung unmöglich ist (OLG Düsseldorf MDR 1990, 178; Eisenberg, § 59 Rn 5).

 

☆ Aus Verteidigersicht ist die Berufung gegenüber einer sofortigen Beschwerde vorzugswürdig , da diese eine mündliche Verhandlung beinhaltet, wohingegen im Beschwerdeverfahren eine Entscheidung lediglich nach Aktenlage gefällt wird. Außerdem kann der längere Zeitraum, den das Berufungsverfahren erfordert, vom Verteidiger dazu genutzt werden, um mit dem ...

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