Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Beschwerdegericht trifft eine eigene Sachentscheidung.
2. Entscheidungsgrundlage können nur die Tatsachen und Beweismittel sein, die den Verfahrensbeteiligten bekannt sind.
3. Für das Beschwerdeverfahren gilt das allgemeine Beschleunigungsgebot in Strafverfahren.
4. Eine Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz im Beschwerdeverfahren kommt i.d.R. ausnahmsweise lediglich dann in Betracht, wenn der angefochtenen Entscheidung Willkür oder anderes prozessuales Unrecht zugrunde liegen.
5. Die Beschwerdeentscheidung orientiert sich jeweils daran, aus welchem Grund das Ausgangsgericht nicht zuständig war.
 

Rdn 499

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Beschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 400.

 

Rdn 500

1. Beschwerdegericht ist das LG bei Beschwerden gegen Entscheidungen des AG bzw. das OLG bei Beschwerden gegen Entscheidungen de LG.

 

Rdn 501

Das Beschwerdegericht trifft über den Beschwerdegegenstand eine eigene Sachentscheidung (§ 309 Abs. 2). Denn das Verfahrensrecht dient nicht nur dem Ziel, einen geordneten Verfahrensgang zu sichern, sondern ist im Schutzbereich der Grundrechte auch das Mittel, um im konkreten Fall dem Grundrechtsträger zu seinem verfassungsmäßigen Recht zu verhelfen. Demgemäß erfordert eine Beschwerde grds. eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über die behauptete Grundrechtsverletzung, wenn und soweit die Beschwer durch die öffentliche Gewalt fortwirkt (BVerfG, Beschl. v. 9.8.1990 – 2 BvR 1128/88).

 

Rdn 502

Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) wird verletzt, wenn das Beschwerdegericht hinsichtlich des Gegenstandes des Rechtsbehelfs keine endgültige Entscheidung trifft und insoweit den Rechtsweg verkürzt (BVerfG NVwZ 2005, 1304). Eine Sachentscheidung unterbleibt allerdings, wenn der Antrag, über den im Beschwerdeverfahren entschieden werden soll, ohne sachliche Prüfung verworfen werden muss (Meyer-Goßner/Schmitt, § 309 Rn 9).

 

Rdn 503

2. Entscheidungsgrundlage können nur die Tatsachen und Beweismittel sein, die den Verfahrensbeteiligten bekannt sind (arg. § 311a Abs. 1 S. 1). Deshalb hat der Beschwerdeführer stets Anspruch darauf, Stellungsnahmen des Verfahrensgegners vor Ergehen der Beschwerdeentscheidung zur Kenntnis zu erhalten und hierauf erwidern zu können (BVerfG NJW 2001, 3695; Beschl. v. 15.11.2010 – 2 BvR 1183/09).

 

☆ In Fällen einer Kollision zwischen dem Geheimhaltungsbedürfnis aufseiten der Strafverfolgungsbehörden einerseits und dem umfassenden Anspruch auf rechtliches Gehör eines Verfahrensbetroffenen andererseits kann dies dazu führen, dass das Beschwerdegericht verpflichtet ist, mit seiner Entscheidung so lange zu warten, bis sich der Beschwerdeführer zu sämtlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte äußern konnte (BVerfG NStZ 2007, 274; NStZ-RR 2008, 16; zur Beschränkung von Akteneinsicht Burhoff , EV, Rn 218 ff.).Kollision zwischen dem Geheimhaltungsbedürfnis aufseiten der Strafverfolgungsbehörden einerseits und dem umfassenden Anspruch auf rechtliches Gehör eines Verfahrensbetroffenen andererseits kann dies dazu führen, dass das Beschwerdegericht verpflichtet ist, mit seiner Entscheidung so lange zu warten, bis sich der Beschwerdeführer zu sämtlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte äußern konnte (BVerfG NStZ 2007, 274; NStZ-RR 2008, 16; zur Beschränkung von Akteneinsicht Burhoff, EV, Rn 218 ff.).

 

Rdn 504

3. Für das Beschwerdeverfahren gilt das allgemeine Beschleunigungsgebot in Strafverfahren, in Haftsachen das auf Art. 2 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG zurückgehende besondere Beschleunigungsgebot. Dies darf aber nicht dazu führen, dass das Beschwerdegericht entscheidet, bevor der Beschwerdeführer seine angekündigte Stellungnahme zur Beschwerde bei Gericht eingereicht hat (BVerfG NJW 1991, 2758).

 

Rdn 505

4.a) Im Beschwerderecht fehlt eine § 354 Abs. 2 vergleichbare Vorschrift. Eine Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz kommt im Beschwerdeverfahren ausnahmsweise lediglich dann in Betracht, wenn der angefochtenen Entscheidung Willkür oder anderes prozessuales Unrecht zugrunde liegen (OLG Rostock NStZ-RR 2000, 14). Daher ist die Zurückverweisung nur – begrenzt auf Ausnahmekonstellationen – möglich.

 

Rdn 506

b) Hat das Ausgangsgericht eine Sachentscheidung unterlassen, weil es sich fälschlich für nicht zuständig gehalten (OLG Stuttgart NStZ 1991, 291) oder die Zulässigkeit eines (Wiederaufnahme-)Antrags unzutreffend verneint hat (OLG Frankfurt/Main NStZ 1983, 426), wird die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Ausgangsgericht zurückverwiesen.

 

Rdn 507

c) Verfahrensmängel hindern die eigene Sachentscheidung des Beschwerdegerichts i.d.R. nicht. Dies gilt insbesondere, wenn die angefochtene Entscheidung keine Begründung enthält (KG StV 1986, 142; anders OLG Düsseldorf StV 1995, 538 bei "dürftiger" Begründung), das Zustandekommen der Ausgangsentscheidung (hier: Beratungsmängel) fehlerhaft war (OLG Karlsruhe VRS 68, 360), das Ausgangsgericht Tatsachen oder Beweismittel unberücksich...

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