Das Wichtigste in Kürze:

1. In der Sicherungsverwahrung bist die Pflichtverteidigung der Regelfall.
2. Es gibt klare gesetzliche Vorgaben zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers in Fragen der Vollstreckung und des Vollzugs.
3. Die Auswahl des Pflichtverteidigers richtet sich nach den allgemeinen Regeln des § 142 StPO. Dem Untergebrachten ist ein Verteidiger seiner Wahl beizuordnen, wenn kein wichtiger Grund entgegensteht.
4. Die Bestellung des Pflichtverteidigers muss rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung erfolgen.
5. Die Beiordnung im Vollstreckungsverfahren dauert fort, solange sie nicht aufgehoben wird.
6. Der Untergebrachte hat nun dauerhaft einen anwaltlichen Beistand und Ansprechpartner auch für Fragen des Vollzuges.
7. In gerichtlichen Verfahren betreffend vollzugsöffnende Maßnahmen ist ohne Bedürftigkeitsprüfung ein Pflichtverteidiger zu bestellen.
8. Im Umgang mit Medien ist Zurückhaltung geboten.
 

Rdn 574

 

Literaturhinweise:

s. die Hinweise bei → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 538 m.w.N.

 

Rdn 575

1. Der Pflichtverteidigung kommt im Bereich der Sicherungsverwahrung eine herausragende Rolle zu. In aller Regel handelt es sich um langjährig Inhaftierte, die kaum über Außenkontakte und finanzielle Mittel verfügen. Ebenso wie im sonstigen Maßregelvollzug müssen die Mandanten regelmäßig und dauerhaft im Zusammenhang mit Vollzugslockerungen und den Entscheidungen zur Fortdauer der Unterbringung begleitet werden. Im Einzelfall kann sich aufgrund verbesserter Löhne bei Verwahrten und ausreichend angesammelten Überbrückungsgeldes auch eine Möglichkeit zur Wahlverteidigung ergeben. Auch können Angehörige zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) bereit sein. Gleichwohl dürfte es in der überwiegenden Zahl der Fälle bei einer anwaltlichen Tätigkeit als Pflichtverteidiger verbleiben. Im Hinblick auf der nun verfassungsrechtlichen Gebote auf Rechtsschutz, Unterstützung und Kontrolle des Untergebrachten (vgl. → Sicherungsverwahrung, Grundsätze, Teil A Rdn 558) dürfte die Problematik der Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Verfahren betreffend die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung der Vergangenheit angehören.

 

Rdn 576

2.a) Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Verfahren die Vollstreckung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung betreffend richtet sich nun nach § 463 Abs. 8 StPO (vgl. a. Burhoff, EV, Rn. 2812 m.w.N.; vgl. noch Rdn 581). Der Untergebrachte hat, soweit er über keinen Wahlverteidiger verfügt, für Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen immer einen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger! Damit haben sich die früheren Auseinandersetzungen wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO in analoger Form, welches auch durch verfassungsgerichtliche Rechtsprechung gehalten worden waren (BVerfG NJW 2009, 3153 [Ls.]), erledigt. Es bedarf deshalb nicht mehr der Darlegung besonderer Schwierigkeiten im Diagnose- oder Prognosebereich bzw. der Unfähigkeit zur Selbstverteidigung.

 

Rdn 577

3. Die Auswahl des Pflichtverteidigers richtet sich nach den allgemeinen Regeln des § 142 StPO. Dem Untergebrachten ist ein Verteidiger seiner Wahl beizuordnen, wenn nicht ein wichtiger Grund entgegensteht (Burhoff, EV, Rn 2765 ff.). Vereinzelt äußern Gerichte Zweifel an der fachlichen Eignung des Verteidigers und begründen dies mit vorausgegangenen rechtlichen Handlungen. Problematisiert wird insbesondere der Gesichtspunkt, dass der Untergebrachte von seinem Verteidiger in seiner Krankheitsuneinsichtigkeit bestärkt wird (KG StRR 2013, 402 [Ls.]). Dieser Argumentation kann unter dem Gesichtspunkt der freien Advokatur gem. § 1 BORA, durch die Teilhabe des Bürgers am Recht gerade gewährleistet wird, nicht gefolgt werden. Die Auswahl eines Pflichtverteidigers darf nicht von der Haltung des Verteidigers zu inhaltlichen Fragen abhängig gemacht werden. In jedem Fall bedeutsamer ist das Vertrauensverhältnis zwischen Untergebrachtem und Verteidiger, jedenfalls solange keine verfahrensfremden Zwecke verfolgt werden (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 2776 ff., Rn 2781).

 

Rdn 578

4. Die Bestellung des Pflichtverteidigers hat gemäß § 463 Abs. 8 S. 2 StPO "rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen". Damit ist auch geklärt, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht erst kurz vor der Anhörung des Untergebrachten und damit regelmäßig kurz vor Entscheidung der StVK erfolgen darf. Er muss noch auf die Person des zu bestellenden Sachverständigen Einfluss nehmen können (BT-Drucks 17/9874, S. 27). Dem Pflichtverteidiger muss Gelegenheit gegeben werden, die (oftmals sehr umfangreichen) Verfahrensakten einzusehen und sich mit den vorausgegangenen Sachverständigengutachten und Stellungnahmen der Anstalt auseinanderzusetzen.

 

Rdn 579

5. § 463 Abs. 8 S. 2 StPO stellt auch fest, dass die Beiordnung "für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird" fortdauert. Damit ...

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