Rdn 559

 

Literaturhinweise:

s. die Hinweise bei → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 538 m.w.N.

 

Rdn 560

Aus der vorausgegangenen Praxis eines weitgehenden Verwahrvollzuges heraus fordert das BVerfG (BVerfGE 128, 326 = NJW 2011, 1931), dass erhebliche therapeutische Anstrengungen zur Minderung der Gefährlichkeit eines Verwahrten unternommen werden müssen. Dazu hat es ein umfassendes Konzept einer freiheitsorientierten und therapiegerechten Unterbringung entwickelt und sieben umzusetzende Prinzipien genannt:

 

Rdn 561

 

Prinzipien des BVerfG

Ultima-Ratio: Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist nur als letztes Mittel zulässig, wenn alle Möglichkeiten zur Reduzierung der Gefährlichkeit des Täters erschöpft sind und auch bereits während des Strafvollzuges ausgeschöpft wurden.
Individualisierung und Intensivierung: Spätestens zu Beginn der Sicherungsverwahrung muss eine umfassende und wissenschaftlichen Anforderungen genügende Behandlungsuntersuchung stattfinden und ein Vollzugsplan erstellt werden, der eine Entlassungsperspektive beinhaltet. Ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot ist zu unterbreiten. Dabei sind alle therapeutischen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Motivierung: Die unbestimmte Dauer der Sicherungsverwahrung führt bei den Untergebrachten häufig zu einer Situation der Lethargie und Passivität. Dem ist durch ein dem Individuum entsprechendes Behandlungs- und Betreuungsangebot entgegenzuwirken.
Trennung: Ein deutlicher Abstand zum regulären Strafvollzug muss in der Gestaltung des äußeren Vollzugsrahmens erkennbar sein. Einer vollständigen räumlichen Trennung vom Strafvollzug bedarf es dabei jedoch nicht.
Minimierung: Im Behandlungsplan müssen Vollzugslockerungen vorgesehen werden und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten sein. Dabei sind planmäßige Hilfen für die Zeit nach der Entlassung zu integrieren. Der Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen.
Rechtsschutz und Unterstützung: Der Untergebrachte hat einen effektiv durchsetzbaren Anspruch auf Maßnahmen auf Reduzierung seiner Gefährlichkeit. Dabei ist er zu unterstützen. Dazu dient auch die Beiordnung eines Pflichtverteidigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Interessen.
Kontrolle: Mindestens einmal jährlich ist die Fortdauer der Sicherungsverwahrung gerichtlich zu überprüfen. Sobald Anhaltspunkte für eine schnellere Aussetzungsmöglichkeit bestehen, bedarf es einer unverzüglichen gesonderten Überprüfung.
 

Rdn 562

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Bundesggesetzgeber mit Schaffung des § 66c Abs. 1 StGB im Wesentlichen umgesetzt. Die Länder haben zum Stichtag 1.6.2013 ergänzend entsprechend neue Gesetze zum Vollzug der Sicherungsverwahrung geschaffen (vgl. Rdn. 612).

Siehe auch: → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 537 m.w.N.

[Autor] Glauch

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