Das Wichtigste in Kürze:

1. Im Jugendstrafverfahren existieren verschiedene Arten von "Bewährungsentscheidungen".
2. § 60 JGG bzw. § 64 JGG sehen im Fall der (rechtskräftig angeordneten) Bewährung die Erstellung eines Bewährungsplanes vor.
3. Die nachträgliche Aussetzung der Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Jugendstrafe ist möglich.
4. Die Anfechtung von Bewährungsentscheidungen richtet sich nach § 59 Abs. 2 JGG.
 

Rdn 86

 

Literaturhinweise:

Jäckel, Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe, Strafaussetzung zur Bewährung und Vorbewährung im Jugendstrafrecht, JA 2010, 539

Nix, Anmerkung zu OLG Celle, NStZ 1993, 401

Weigelt Bewähren sich Bewährungsstrafen?, 2009

s.a. die Hinw. bei → Bewährung, Allgemeines, Teil A Rdn 2.

 

Rdn 87

1.a) Im Jugendstrafverfahren existieren verschiedene Arten von "Bewährungsentscheidungen". Aus erzieherischen Gründen ist diese Reaktionsmöglichkeit flexibler gestaltet als bei Erwachsenen. Als direkte Folge einer Verurteilung können folgende Bewährungsentscheidungen verhängt werden:

 

Rdn 88

 

Überblick

Aussetzung der Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung (§ 21 JGG)

Dies ist die Bewährungsentscheidung, die der des allgemeinen Strafrechts entspricht. Sofern eine Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahre verhängt wird, wird die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt, sofern eine positive Sozialprognose vorliegt (§ 21 Abs. 1 JGG). Bei Jugendstrafen von nicht mehr als zwei Jahren darf zusätzlich die Vollstreckung nicht im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten sein (§ 21 Abs. 2 JGG).

Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe zur Bewährung (§ 27 JGG)

Wenn in der Hauptverhandlung nicht sicher beurteilt werden kann, ob bei dem Jugendlichen schädlichen Neigungen in einem Ausmaß vorliegen, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist, kann die Schuld des Jugendlichen festgestellt werden und die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt (§ 27 JGG; → Jugendliche, Vollstreckung, Verhängung der Jugendstrafe, Teil B Rdn 916 ff.).

Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung wird zurückgestellt ("Vorbewährung" § 61 JGG; → Bewährung, Jugendliche, Vorbewährung, Teil A Rdn 118 ff.).

Unter den Voraussetzungen des § 61 JGG (Ansätze für eine positive Entwicklung sind vorhanden, jedoch noch nicht ausreichend, um zum Zeitpunkt der Entscheidung schon eine positive Sozialprognose zu begründen) kann eine Verurteilung zu Jugendstrafe erfolgen. Die Entscheidung, ob die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, wird jedoch für höchstens sechs Monate vorbehalten (sog. "Vorbewährung"). Die gesetzliche Regelung existiert seit 4.9.2012, wurde jedoch vorher bereits in der Praxis aus § 57 JGG hergeleitet.

 

Rdn 89

b) Bei allen drei Bewährungsentscheidungen ist die Verhängung eines zusätzlichen Arrests nach § 16a JGG (sog. "Warnschussarrest") möglich. Im Falle der späteren Vollstreckung der Jugendstrafe wird der verbüßte Arrest auf die Jugendstrafe angerechnet (§ 26 Abs. 3 S. 3 JGG).

 

Rdn 90

Zusätzlich gibt es noch die Aussetzung der Restjugendstrafe nach § 88 JGG (→ Jugendliche, Vollstreckung, Jugendstrafe, Teil B Rdn 812 ff.).

 

Rdn 91

c) Die Vollstreckung eines Jugendarrests nach § 16 JGG kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 87 Abs. 1 JGG; → Jugendliche, Vollstreckung, Jugendarrest, Teil B Rdn 799 ff.).

 

Rdn 92

d) Die Vorschriften sind anwendbar auf:

Jugendliche, auch wenn sie von einem allgemeinen Gericht verurteilt werden (§ 104 Abs. 1 Nr. 8 JGG)
Heranwachsende dann, wenn materielles Jugendstrafrecht auf sie angewendet wird (§ 109 Abs. 2 S. 1 JGG)

Die Widerrufsquote bei Jugendstrafen ist – im Vergleich zu Erwachsenen – relativ niedrig. Sie liegt bei ca. 16 % (s. auch Weigelt, S. 231). Diese Erfolgszahl ist jedoch aufgrund der Einbeziehung in ein neues Urteil (§ 31 JGG) zu relativieren.

 

Rdn 93

e) Eine "bloße" Bewährung wie bei Erwachsenen ist bei Entscheidungen nach Jugendstrafrecht nicht möglich. Vielmehr soll der Richter für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. Er kann auch Auflagen erteilen (§ 23 Abs. 1 S. 1, 2 JGG). Die Unterstellung unter einen Bewährungshelfer ist obligatorisch (§ 24 JGG). Es besteht lediglich die Möglichkeit der nachträglichen Verkürzung der Bewährungszeit, der Unterstellungsdauer bzw. einer Änderung der Weisungen bzw. Auflagen (→ Bewährung, Jugendliche, Weisungen, Auflagen, Teil A Rdn 140 ff.; → Bewährung, Jugendliche, Zeit, Teil A Rdn 183)

Übersicht

 
  § 21 JGG § 27 JGG § 61 JGG § 88 JGG
Dauer 2 – 3 Jahre (§ 22 Abs. 1 JGG) 1 – 2 Jahre (§ 28 Abs. 1 JGG) 6 Mo; (bei anschließender Bewährungsaussetzung wird die Zeit auf die Bewährungszeit angerechnet § 61b Abs. 3 JGG) 2 – 3 Jahre (§ 88 Abs. 6 S. 1JGG i.V.m. § 22 Abs. 1 JGG); auch wenn Vollstreckung an StA abgegeben
Beginn Mit RK der Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe (§ 22 Abs. 2 S. 1 JGG) Mit RK des Urteils, in dem die Schuld festgestellt wurde (§ 28 Abs. 2 S. 1 JGG) mit RK des Urteils Mit...

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