Rz. 408

Die Zwangsvollstreckung von Titeln, durch die die verurteilte Partei zu Handlungen verpflichtet wird, ist unterschiedlich je nachdem, ob es sich um eine vertretbare oder um eine unvertretbare Handlung handelt. Dagegen sind Titel, die zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilen, nicht im eigentlichen Sinne vollstreckungsfähig, weil die entsprechende Willenserklärung als mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt (§ 894 ZPO). Da aus dem Tenor nicht immer mit Sicherheit ersichtlich ist, was geschuldet wird, hat das Gericht auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen und den Tenor dahin gehend auszulegen, welche Handlungen geschuldet werden und nach welchen Vorschriften die Zwangsvollstreckung zu erfolgen hat (BGH, Urteil v. 8.10.1992, VII ZR 272/90, WuM 1993, 393).

 

Rz. 409

 
Hinweis

Vertretbare Handlungen

Vertretbare Handlungen sind diejenigen, die auch ein Dritter – anstelle des Schuldners – vornehmen kann.

Dies sind im Wesentlichen Mietberechnungen (LG Wuppertal, Urteil v. 16.5.1989, 93 C 28/89, WuM 1989, 329), die Beheizung einer Wohnung (OLG Köln, MDR 1995, 95), die Verhinderung von Geräuschen und Gerüchen aus einer Gaststätte, die Abschaffung eines Haustieres – insbesondere dessen Entfernung aus der Wohnung (LG Hamburg, ZMR 1985, 302 = NJW-RR 1986, 158), die Verpflichtung des Mieters zur Ausführung von Schönheitsreparaturen, die Verpflichtung des Vermieters zur Mängelbeseitigung und zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustandes (LG Lüneburg, Beschluss v. 22.9.2014, 6 T 88/14, ZMR 2015, 318: Teppicherneuerung). Bei Mängelbeseitigungen ist zu unterscheiden, ob es sich um eine "normale" Wohnung oder um eine vermietete Eigentumswohnung handelt. Handelt es sich nicht um eine Eigentumswohnung, so ist die Beseitigung der Mängel eine vertretbare Handlung (Koch, Mietprozess, 12. Kap. Rn. 65). Dasselbe gilt, wenn nur Schäden an den im Sondereigentum stehenden Teilen der vermieteten Eigentumswohnung zu beseitigen sind.

 

Rz. 410

Dagegen bedarf es bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum der Mitwirkung der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. KG, 8 RE-Miet 2634/90, GE 1990, 811 = ZMR 1990, 336 = NJW-RR 1990, 1166). Solange deren Mitwirkung noch aussteht, erfolgt die Vollstreckung des gegen den Vermieter titulierten Mängelbeseitigungsanspruchs nach § 888 ZPO. Der vermietende Wohnungseigentümer wird auf Antrag des Mieters vom Prozessgericht als Vollstreckungsgericht durch Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft dazu angehalten, bei der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Beschluss auf Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum herbeizuführen und die erforderlichen Kosten notfalls vorzuschießen.

 

Rz. 411

Überschreiten die Aufwendungen zur Beseitgung der Mängel die "Opfergrenze" (vgl. dazu BGH, Urteil v. 21.4.2010, VIII ZR 131/09, WuM 2010, 348; BGH, Urteil v. 20.7.2005, VIII ZR 342/03, GE 2005, 1348) oder hat er sonst vergeblich alles ihm Zumutbare getan, um einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft herbeizuführen, so kann der Vermieter dies im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen den titulierten Anspruch geltend machen (KG, a. a. O.).

 

Rz. 412

Mit der Beendigung des Mietverhältnisses und dem Auszug des Mieters aus der Wohnung ist die Erledigung des auf Mängelbeseitigung gerichteten Zwangsvollstreckungsverfahrens eingetreten. Zuvor ist der Vermieter grundsätzlich mit dem Erfüllungseinwand zu hören, soweit nicht tatsächliche Gründe bereits eine Erfüllungsbereitschaft widerlegen (BGH, Beschluss v. 21.12.2004, IXa ZB 281/03, WuM 2005, 139 = ZMR 2005, 289 = MietRB 2005, 118).

 

Rz. 413

Die Erteilung einer Betriebskostenabrechnung ist dagegen nicht als vertretbare Handlung, sondern als nicht vertretbare Handlung anzusehen (BGH, Beschluss v. 11.5.2006, I ZB 94/05, GE 2006, 844 = WuM 2006, 401 = NJW 2006, 2706; KG, Beschluss v. 25.2.2002, 8 W 420/01, GE 2002, 664 = OLGR 2002, 326; LG Saarbrücken, WuM 1987, 237; LG Saarbrücken, Urteil v. 16.12.2005, 5 S 16/09, ZMR 2010, 402; a. A. Koch, Mietprozess, 12. Kap. Rn. 63; LG Berlin, Beschluss v. 11.8.2005, 62 T 89/05, GE 2005, 1127).

 

Rz. 414

Die Vollstreckung eines auf eine vertretbare Handlung gerichteten Titels geschieht dadurch, dass der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs auf Antrag sich ermächtigen lässt, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen (§ 887 Abs. 1 ZPO). Das gilt auch für das Urteil auf Entfernung eines Hundes; der Vermieter ist vom AG auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Mieters einen Hundefänger mit der Wegnahme des Hundes zu beauftragen -in dem entsprechenden Beschluss kann der Mieter gleichzeitig zur Vorauszahlung der Kosten verurteilt werden, die durch die Wegnahme des Hundes entstehen. Erst wenn diese Vollstreckung nicht durchführbar ist -z. B. weil der Mieter dem Hundefänger den Zutritt zur Wohnung verweigert -, darf der Vermieter das Urteil auf Entfernung des Hundes nach § 888 ZPO vollstrecken (LG Hamburg, Beschluss v. 15.3.1985, 16 T 14/85, ZMR 1985, 302), d. h., der Mieter kann zur Entfernung de...

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