§ 4 GrEStG enthält für bestimmte Rechtsträger eine Ausnahme von der Besteuerung für nach § 1 GrEStG steuerbare Grundstückserwerbe und führt diese Rechtsvorgänge in den Nr. 1 bis 6 auf. In den Nr. 1 bis 5 sind unter besonderen Voraussetzungen Grundstückserwerbe von Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie durch ausländische Staaten oder Erwerbsvorgänge im Zusammenhang mit kommunalen Zusammenschlüssen befreit. Der Anwendungsbereich ist aufgrund dieses gesetzlich kodifizierten Begünstigungskreises stark eingeschränkt (Nienhaus in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 4 GrEStG Rn. 2). Mit dem Eintritt des Brexits und dem Ablauf des Übergangszeitraums dürfte der Anwendungsbereich von § 4 GrEStG aufgrund der Neuaufnahme von § 4 Nr. 6 GrEStG an praktischer Bedeutung gewonnen haben.

Sah weder der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Brexit-StBG (BT-Drs. 19/7377 vom 28.01.2019) noch die Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 4/19 vom 15.02.2019) eine Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vor, wurde auf diese Notwendigkeit erstmals durch den Finanzausschuss des Bundestages aufmerksam gemacht (BT-Drs. 19/7959 vom 20.02.2019, 36). Indem der Finanzausschuss erkannt hatte, dass es verschiedene Fallkonstellationen gibt, in denen allein der Brexit einen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand auslösen kann, wurde § 4 GrEStG durch das Brexit-StBG geändert. In § 4 Nr. 6 GrEStG wurde aufgenommen, dass "Erwerbe, die allein auf dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union beruhen", von der Besteuerung ausgenommen sind.

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel 1

An einer britischen Limited mit Verwaltungssitz im Inland und inländischem Grundvermögen ist nur ein Gesellschafter beteiligt.

Lösung

Mit Vollzug des Brexits geht die sog. "Quasi-Umwandlung" einher (vgl. Abschnitt 1.3.2). Ist an der Limited nur ein Gesellschafter beteiligt, wird die betreffende Gesellschaft mit Vollzug des Brexits als Einzelunternehmen behandelt. Erwirbt der Gesellschafter einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft das Grundstück, führt dies grundsätzlich zu einem grunderwerbsteuerbaren und grunderwerbsteuerpflichten Erwerb. Im o. g. Fall geht das Eigentum von einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, der Limited, auf das Einzelunternehmen über, sodass der Erwerbsvorgang des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG (Eigentumsübergang am Grundstück, ohne dass ein Rechtsgeschäft, welches den Anspruch auf Übereignung begründet hat, vorausging) verwirklicht wird. Die neu eingeführte Nr. 6 des § 4 GrEStG stellt jedoch diesen Grundstückserwerb des Einzelunternehmens vollständig steuerfrei, da dieser Grundstückserwerb allein auf dem Brexit beruht. Der Vorgang ist zwar grunderwerbsteuerbar, aber grunderwerbsteuerfrei.

In einigen Fallkonstellationen dürfte es durch die Privilegierung gar zu einer Besserstellung des Steuerpflichtigen kommen, da vergleichbare Übertragungen, die nicht auf dem Brexit beruhen, steuerpflichtig gewesen wären.

 
Hinweis

Praxishinweis

Insoweit empfiehlt es sich, den Brexit-bedingten Grundstückserwerb nach § 19 GrEStG anzuzeigen. Die zuständige Grunderwerbsteuerstelle kann dann die für die Eigentumsumschreibung nötige Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 22 GrEStG ausstellen.

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