Inzwischen ist der Politik aufgefallen, dass bei den privilegierten baulichen Veränderungen energetische Maßnahmen nicht berücksichtigt wurden. So gibt es bereits u. a. einen Entwurf eines Gesetzes zum beschleunigten Ausbau von Balkonkraftwerken (BalKraftBeschG) der Fraktion der CDU/CSU vom 23.5.2023. Danach soll § 20 Abs. 2 WEG folgender Passus angefügt werden: "5. der Nutzung von steckerfertigen Photovoltaik-Anlagen auf und an einem ausschließlich selbst genutzten Balkon oder einer ausschließlich selbst genutzten Terrasse".

 
Hinweis

Bisherige Rechtslage

Umstritten ist, ob ein Photovoltaik-Carport bisher als privilegierte bauliche Veränderung angesehen werden kann.[1]

Nach einer (verfehlten) Entscheidung des AG Konstanz[2] soll kein Anspruch auf Zustimmung zu einer solchen baulichen Veränderung (Balkonkraftwerk) bestehen. § 20 Abs. 1 WEG enthalte eine sog. Bausperre für bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Eigentümer. Eine solche Veränderung stellt die Montage einer Photovoltaikanlage dar. Der Anbau bedarf eines Gestattungsbeschlusses gem. § 20 Abs. 1 bzw. § 19 Abs. 1 WEG.

Gem. § 20 Abs. 3 WEG besteht nach Greiner[3] und Klimesch[4] ein Anspruch auf Gestattung, wenn die bauliche Veränderung die Rechte der übrigen Eigentümer nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt. Die Anbringung der Solaranlage verändert die Optik des Gebäudes und stellt insofern einen Nachteil für die übrigen Eigentümer dar. Bei der Beurteilung, ob dieser Nachteil im Rechtssinne (un)vermeidlich ist, ist eine Güterabwägung vorzunehmen, bei der bekanntlich auch Wertungen außerhalb des WEG zu berücksichtigen sind. Im vorliegenden Kontext kommt insbesondere das in Art. 20a GG verankerte Staatsziel, "in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen" zu schützen, zum Tragen. Jede Solaranlage trägt einen Teil dazu bei, der Energie- und Klimakrise, die die natürlichen Lebensgrundlagen bedroht, entgegen zu wirken; die Installation liegt im gesellschaftlichen Interesse. Hinter diesem Interesse muss das Interesse am Erhalt einer unveränderten Gebäudeoptik zurücktreten. Die Anbringung einer Solaranlage beeinträchtigt die Rechte der übrigen Eigentümer nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus.[5]

Bereits das LG Frankfurt a. M.[6] entschied: Eine Solaranlage auf dem Garagendach ("Balkonkraftwerk") stellt jedenfalls dann keine optische Beeinträchtigung dar, wenn bereits die zur Garage zeigende Dachseite des Hauses mit Solarplatten bestückt ist.

 
Achtung

Keine störende Blendwirkung

Von Mini-PV-Anlagen dürfen keine Beeinträchtigungen durch Licht- oder Sonnenreflexe als störende Blendwirkung ausgehen. Für Reflexionen durch Sonneneinstrahlung gibt es keine durch Gesetze oder Richtlinien festgelegten Richtwerte. Der Hinweis der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI), dass eine erhebliche Belästigung vorliegen könne, wenn die Lichteinwirkung mindestens 30 Minuten am Tag oder 30 Stunden pro Kalenderjahr betrage, ist nicht verbindlich, kann aber als Entscheidungshilfe herangezogen werden.[7] Die von den Solarmodulen ausgehende Blendwirkung muss nicht hingenommen werden, weil Photovoltaikanlagen auf Hausdächern nicht zwingend mit (wesentlichen) Beeinträchtigungen verbunden sein müssen, da es Spezialmodule mit reflexionsarmen Oberflächen gibt.[8]

Kostenverteilung: Taktierendes Abstimmungsverhalten der Wohnungseigentümer verhindern

Maßnahmen der energetischen Ertüchtigung der Gebäudehülle (WDVS) begünstigen alle Sondereigentümer. Der zustimmende Eigentümer hat keine Vorteile, die seine ihn gesetzlich treffende Kostenlast kompensieren könnten. Hier kann es zu taktischem Abstimmen in der Eigentümerversammlung kommen. Schließlich profitiert auch der sich der Stimme Enthaltende von den positiven Wirkungen der Maßnahme. Um taktisches Abstimmverhalten zu minimieren, könnte qua Geschäftsordnungsbeschluss (analog § 197 GVG) etwa geregelt werden: "Bei der nachfolgenden Abstimmung zum Antrag ___ zu TOP ___ betr. die bauliche Veränderung ____________ sind die Stimmen in folgender Reihenfolge abzugeben: (z. B.) nach Auflistung der WE-Einheiten gemäß TE vom _______."

Da der Versammlungsleiter die Art der Stimmabgabe vorgeben darf, also etwa durch Handzeichen oder durch Stimmzettel und auch entscheiden kann und darf, ob zunächst Nein- oder zunächst Ja-Stimmen abgefragt werden, ist auch diese Art der Stimmabgabe m. E. ordnungsmäßig. Denn: Was der Versammlungsleiter kraft seiner Funktion entscheiden darf, kann das Kollektivorgan auch durch Verfahrensbeschluss bzw. Geschäftsordnungsbeschluss entscheiden.

[1] Vgl. etwa (bejahend) Dötsch in Bärmann WEG 15. Aufl. 2023 § 20 Rn. 241.
[2] AG Konstanz, Urteil v. 9.2.2023, 4 C 425/22, NZM 2023 S. 380.
[3] Greiner, Los geht’s! Aktuelles zum Thema Balkonkraftwerke, ZMR 2023 S. 617.
[4] Klimesch, Der Anspruch auf Gestattung von Balkonkraftwerken – Art. 20a GG: das verkannte "Planetengrundrecht", ZMR 2023 S. 522.
[5] Gr...

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