Leitsatz

Die Tagesbetreuung von höchstens 2 Kindern geht nicht über das Maß hinaus, was im Rahmen einer Wohnungsnutzung durch eine Familie zu erwarten wäre.

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer W vermietet sein Sondereigentum an M. Nachdem mehrere eigene Kinder von M ausgezogen sind, möchte sie in der Wohnung eine Kindertagespflege betreiben. Sie hat von der Stadt eine Genehmigung, gleichzeitig bis zu 2, insgesamt jedoch höchstens 3 Kinder in ihrer Wohnung zu betreuen. Nach der Gemeinschaftsordnung dürfen Wohnungseigentumsrechte mit Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer gewerblich genutzt werden. Die Zustimmung darf nur aus einem wichtigen Grund verweigert werden.
  2. W beantragt für M, dass die anderen Wohnungseigentümer der Betreuung zustimmen. Eine Mehrheit für diesen Antrag findet sich nicht.
  3. W klagt daraufhin gegen die anderen Wohnungseigentümer auf Zustimmung. Er meint, die Nichterteilung widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Er habe einen Anspruch auf die begehrte Beschlussfassung, die er, nunmehr nach § 21 Abs. 8 WEG weiterverfolge. Gegen M's geplanten Gebrauch spreche kein wichtiger Grund. Aufgrund der Beschränkungen der Genehmigung ergebe sich keine spürbare Belastung. Die gewerbliche Tätigkeit sei von einem Familienleben und damit vom ureigensten Gebrauch einer Wohnung kaum unterscheidbar. Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen hervorgerufen würden, seien keine schädlichen Umwelteinwirkungen. An diese gesetzliche Wertung seien auch die Wohnungseigentümer gebunden. Der vorgesehene Gebrauch werde auch nicht mit einer Verschmutzung des Treppenhauses einhergehen, welche die einer normalen Wohnungsnutzung überschreite. Das Argument, dass anders als beim Familienverbund nicht die Perspektive bestehe, dass die Lärmbeeinträchtigungen mit zunehmendem Alter der Kinder nachließen, sei kein wichtiger Grund.
 

Entscheidung

  1. Die Klage hat Erfolg! Das Amtsgericht bestimmt, dass M im Rahmen ihrer Genehmigung das Sondereigentum gebrauchen darf.
  2. W stehe nach der Gemeinschaftsordnung ein Anspruch auf Zustimmung zu. Nach dieser könne die Zustimmung nur aus wichtigem Grund versagt werden. Ein solcher liege nicht vor. Es seien keine über den bisherigen Gebrauch hinausgehende Lärmbeeinträchtigungen zu befürchten. Insbesondere aufgrund der Begrenzung der Genehmigung gehe die Betreuung nicht über das Maß hinaus, was im Rahmen einer Wohnungsnutzung durch eine Familie zu erwarten wäre. Den Gebrauch der Wohnung durch eine Familie und damit auch durch mehrere Kinder könnten die Wohnungseigentümer aber nicht untersagen. Sie müssten insbesondere stets damit rechnen, dass Kinder neu in die Wohnung einziehen (z.B. bei einem Mieterwechsel). Damit greife auch das Argument nicht, dass bei einem Gebrauch als Wohnung mit einer Abnahme der Lärmbelästigungen durch das Älterwerden und den späteren Auszug der Kinder zu rechnen sei. Daneben sei die gesetzgeberische Wertung in § 22 Abs. 1a BlmSchG zu berücksichtigen, wonach Lärmentwicklungen aus einer Kindertagesstätte keine unzumutbare Belästigung sind.
 

Kommentar

Anmerkung:

  1. In die Beurteilung der Frage, ob der Gebrauch einer vermieteten "Eigentumswohnung" zum Betrieb einer behördlich genehmigten Kindertagesstätte – gegebenenfalls unter Auflagen (unter anderem Betriebszeiten, Maßnahmen zur Vermeidung von Lärm [auch gelegentlich des Bringens bzw. Abholens der Kinder] oder eines erhöhten Müllaufkommens [namentlich in Gestalt von Windeln]) – gestattet werden kann, können die Wertungen des § 22 Abs. 1a BImSchG, die nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf das Wohnungseigentumsrecht ausstrahlen sollen, mit einzubeziehen sein (BGH v. 13.7.2012, V ZR 204/11, NJW-RR 2012 S. 1292). Wie das zu geschehen hat, ist allerdings offen.
  2. Bei der Entscheidung des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal handelt es sich tatsächlich um die 1. bekannt gewordene, die unter anderem nach der Wertung des § 22 Abs. 1a BlmSchG einem Wohnungseigentümer einen Anspruch gibt, sein Wohnungseigentum für die Tagesbetreuung von Kindern zu gebrauchen. Ich selbst halte das im Ergebnis für falsch. Wenn ich ein Wohnungseigentum erwerbe – das allein Wohnzwecken gewidmet ist –, muss ich nicht damit rechnen, dass mein Nachbar in seinem Wohnungseigentum fremde Kinder betreut. Die Lärmentwicklung dürfte in aller Regel das Zumutbare überschreiten. Mit "Kinderfeindlichkeit" hat das nichts zu tun, sondern mit Eigentumsschutz. Ein Wohnungseigentum, über dem ein "Kindergarten" betrieben wird, ist schlicht weniger wert als ein Wohnungseigentum, über dem eine reine Wohnnutzung vorgesehen ist.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Verwalter muss auf die Einhaltung der Hausordnung achten. Meint man, die Widmung eines Sondereigentums als "Wohnungseigentum" gehöre dazu, muss er einen Wohnungseigentümer darauf hinweisen, wenn dieser – oder sein Mieter (§ 14 Nr. 2 WEG) – in seinem Wohnungseigentum "nicht wohnt", sondern ein Gewerbe betreibt. Was gegen den Wohnungseigentümer oder seinen Mieter zu unternehmen is...

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