Leitsatz

Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise führt eine Kindertagespflege mit lediglich 2 bis 3 Tagespflegekindern nicht zu größeren Beeinträchtigungen.

 

Normenkette

WEG § 15 Abs. 2

 

Das Problem

  1. In der Versammlung im April 2013 informiert K die anderen Wohnungseigentümer über die Absicht seiner Lebensgefährtin, in K's Sondereigentum (= Eigentumswohnung) als Tagesmutter 2 bis 3 Kinder im Alter zwischen 1 und 3 Jahren pflegen zu wollen. Den Wohnungseigentümern entstünden keine Haftungspflichten und keine Kosten. Bei Bedenken oder berechtigten Einwänden sollten sie sich an den Verwalter wenden.
  2. Im April 2013 genehmigt die Stadt Bonn der Lebensgefährtin die Betreuung von 2 bis 3 Kindern in einer Tagespflegestelle in der Eigentumswohnung des K. Im Juli 2013 erteilt der Verwalter die Erlaubnis zur Kindertagespflege. Im Jahr 2015 genehmigt die Stadt sogar die Betreuung von 2 bis 4 Kindern.
  3. In der Niederschrift der Versammlung vom Juni 2016 wird unter "Verschiedenes" festgehalten, die Wohnungseigentümer beklagten sich über enorme von der Kindertagespflege ausgehende Lärmbelästigungen. Der – mittlerweile neue – Verwalter werde gebeten, eventuell bestehende Genehmigungen zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund widerruft der Verwalter gegenüber K die Genehmigung des Vorverwalters. Er führt dazu erläuternd aus, die Wohnungseigentümer, insbesondere Frau T (die Wohnungseigentümerin, deren Wohnung unter der des K liegt), fühlten sich durch erhöhten Publikumsverkehr und Lärmbelästigung enorm gestört. Ferner fordert der Verwalter. K auf, diesen Gebrauch zu unterlassen. Im November 2016 besinnt sich der Verwalter. K bzw. seine Lebensgefährtin müssten die Kindertagespflege doch nicht unterlassen. Er – der Verwalter – erteile eine neue Genehmigung bis zu nächsten Versammlung. Dort solle über den Gebrauch beschlossen werden. Auf dieser Versammlung wird im Juni 2017 wie folgt beschlossen:

    "Die Eigentümergemeinschaft widerruft die vom Verwalter im Jahre 2013 erteilte Erlaubnis zur Kindertagespflege. Die Eigentümergemeinschaft fordert K und seine Lebensgefährtin als Betreiberin der Kindertagespflege, auf, den Betrieb der Kindertagespflege bis spätestens 31.07.2017 einzustellen."

    Der Antrag, den Verwalter zu ermächtigen, den Anspruch auf Unterlassung der Kindertagespflege, notfalls gerichtlich, durchzusetzen, findet allerdings keine Mehrheit.

  4. K geht gegen den Beschluss vor. Er ist der Ansicht, der Beschluss sei bereits nichtig, weil es an der Beschlusskompetenz fehle. Es werde unmittelbar eine Unterlassungspflicht begründet. Außerdem handele es sich bei einer Einschränkung eines nach der Gemeinschaftsordnung erlaubten Gebrauchs um einen vereinbarungsändernden Beschluss. Des Weiteren meint K, der Beschluss entspreche jedenfalls nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung: Die Beschlussfähigkeit sei fehlerhaft festgestellt worden, die Befugnis seiner Lebensgefährtin, den Wohnungseigentümer X in Untervollmacht zu vertreten, sei fehlerhaft zurückgewiesen worden, Wohnungseigentümer Y sei unrechtmäßig vom Verwalter vertreten worden, die Einladung wiche hinsichtlich des angegriffenen Beschlusses von der zur Abstimmung gestellten Beschlussfassung ab, es sei kein "milderer" Streitschlichtungsversuch, wie eine Mediation, zugelassen worden, der Verwaltungsbeirat habe einseitig agiert, die Abstimmung sei nicht geheim gewesen. Ferner: Die Erlaubnis sei zu Unrecht widerrufen worden, weil von der Kindertagespflegekeine "größeren Beeinträchtigungen" im Sinne der Gemeinschaftsordnung ausgingen. Er habe außerdem einen Anspruch auf Zustimmung. Kinderlärm sei nach § 22 Abs. 1a BImSchG und § 3 Abs. 4 LImSchG NRW als sozialadäquat hinzunehmen.

    § 22 BImSchG – Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen

    (1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

    § 3 LImSchG NRW – Grundregel

    (4) Von Kindern ausgehende Geräusche sind notwendige Ausdrucksform kindlicher Entfaltung, die in der Regel als sozialadäquat zumutbar sind. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

    Ferner habe er Dämmungsmaßnahmen ergriffen (u.a. 2- bis 3-facher Bodenbelag plus dicke Teppichläufer und Bodenmatten). Es sei zudem zu berücksichtigen, dass sich die Kinder nur zeitweise in der Wohnung aufhielten (montags bis donnerstags, frühestens von 7:15 Uhr bis maximal 16 Uhr) und auch nicht die ganze Zeit anwesend seien (teils späteres Bringen und früheres Abholen). An jedem Vormittag seien die Kinder auch für längere Zeit außerhalb der Wohnung. An das Mittagessen schließe sich zudem ein längerer Mittagsschlaf an. Auch sei die "Einrichtung" an 24 Ferientagen geschlossen. Zudem nutzten die Kinder nur die Hälfte de...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge