Leitsatz

Tätige Mithilfe (Reinigungsdienste) zumindest nicht "gegen" gesundheitlich beeinträchtigten Eigentümer beschließbar

 

Normenkette

§ 21 WEG

 

Kommentar

  1. In einer Eigentümergemeinschaft wurden der Winterdienst, Garten- und Reinigungsarbeiten auf dem Grundstück in praktizierter "tätiger Mithilfe" durch die Eigentümer erledigt. Ein antragstellender Miteigentümer wies darauf hin, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, hier Arbeiten selbst zu übernehmen. Dennoch fasste die Gemeinschaft Beschluss, die Eigenarbeiten weiterhin beizubehalten; zusätzlich wurde auch ein Plan für Reinigungsarbeiten auf dem Grundstück beschlossen.
  2. Ob eine solche tätige Mithilfe der Wohnungseigentümer auch durch Stimmenmehrheit beschlossen werden kann, wird in Literatur und Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Das Gericht folgt hier der Auffassung von Merle in B/P/M, 8. Aufl. § 21 Rz. 115, der von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Regelung ausgeht, jedoch fordert, dass die Heranziehung der Wohnungseigentümer zur tätigen Mithilfe in einer durch Mehrheitsbeschluss verabschiedeten Hausordnung in ihrer konkreten Ausgestaltung immer ordnungsgemäßer Verwaltung, d.h. den Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen muss.
  3. Im vorliegenden Fall entspricht die beschlossene Verpflichtung zur tätigen Mithilfe nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da der Antragsteller aufgrund seines gesundheitlichen Zustands nicht mehr in der Lage war, diese Arbeiten selbst im Turnusdienst zu erledigen. Ihm kann insoweit auch nicht zugemutet werden, eine Reinigungskraft bzw. Reinigungsfirma auf eigene Kosten einzustellen; dies würde auch zu einer Verschiebung der Kostentragungsquote führen, die keiner gleichmäßigen Belastung aller Wohnungseigentümer entspricht. Eine solche Regelung widerspricht damit gemeinschaftlichen Interessen aller Eigentümer, da es hier zu einer erhöhten Belastung nur eines Eigentümers kommen würde. Wohnungseigentümern bleibt es dagegen unbenommen, mehrheitlich zu beschließen, dass ein einzelner Eigentümer von der auf ihn entfallenden Umlage einer Gartenpflege bzw. Schneereinigungskosten befreit ist, wenn er sich selbst in bestimmtem Umfang an den Pflegearbeiten beteiligt und damit bestimmte Aufwendungen der Gemeinschaft erspart (vgl. hierzu KG, ZMR 1994, 70, 72), wobei allerdings die Frage geklärt werden müsste, ob dies durchführbar ist und insbesondere auch ein Fremdunternehmen dann entsprechend weniger Kosten in Rechnung stellt.
 

Link zur Entscheidung

AG Lübeck v. 12.2.2003, 2 II 65/02, ZMR 10/2003, 794

Anmerkung

Aus der kurzen Veröffentlichung in ZMR entnehme ich, dass es sich in diesem Fall um eine Beschlussanfechtung des gesundheitlich eingeschränkten Eigentümers handelte. Schon vor der "Jahrhundertentscheidung" des BGH vom 20.09.2000 (NJW 2000, 3500) vertrat ich beharrlich die Rechtsauffassung, dass solche "Eigenleistungsbeschlüsse" zulasten aller Eigentümer der grundsätzlich "gleichgewichtigen" Kostenverteilung gemäß Gesetz oder Gemeinschaftsordnungsvereinbarung widersprechen, da stets davon ausgegangen werden muss, dass einzelne Eigentümer krankheits- oder altersbedingt nicht in der Lage sind, solche Arbeiten bei eigener Turnuszuweisung in persona erledigen zu können. Probleme entstehen in einem solchen Fall u.a. auch bei längerer Abwesenheit, Leerstand einer Wohnung bzw. Vermietung, ohne dass dem jeweiligen Mieter entsprechende Verpflichtungen auferlegt wurden bzw. auferlegt werden konnten. In der amtsgerichtlichen Entscheidung wurden diese Überlegungen als Entscheidungsergebnis auch tragend herausgestellt ("Verschiebung der Kostentragungsquote"). Da solche Beschlüsse i.d.R. mit Rechtsfolgewirkung auf Dauer gesetzes- oder vereinbarungsändernd gewollt sind, führen sie m.E. mangels Beschlusskompetenz der Gemeinschaft (BGH vom 20.09.2000) sogar zu einer generellen Nichtigkeit. Die systemimmanent gleiche Kostenverteilung aller auch mit dem Grundstück zusammenhängenden Lasten und Kosten ist speziell dann durchbrochen, wenn ein passiver Eigentümer zur Erfüllung seiner Pflichten im Einzelfall teure Ersatzkräfte beauftragen müsste. Auch diese Beschlussnichtigkeitsargumentation im Anschluss an den BGH hätte das AG ansprechen können. Entgegen Merle auch in der Kommentierung von B/P/M in 9. Auflage (nunmehr Rz. 117) sehe ich für eine solche Kostenverteilungsänderung keine Beschlusskompetenz mehr in § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG mit der Regelungsmöglichkeit solcher Leistungen "typischerweise" in einer Hausordnung und in Folge daraus nur einer Anfechtbarkeit solcher Beschlüsse.

Realitätsfremd erscheint mir allerdings der abschließende Hinweis in der amtsgerichtlichen Entscheidung, dass sich selbst bei gemeinschaftlicher Beauftragung eines Dritt-Reinigungsunternehmens ein einzelner Eigentümer über entsprechenden Beschluss von anteiligen Kosten befreien lassen könnte, wenn er sich hier selbst in bestimmtem Umfang und Turnus an Pflegearbeiten beteiligt und insoweit der Gemeinschaft Au...

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