Leitsatz

Eine Herabsetzung des Regelwertes ist nicht allein deswegen gerechtfertigt, weil statt über die gesamte elterliche Sorge nur über den Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu entscheiden ist.

Eine geringere Bewertung des Umgangsverfahrens im Vergleich zum Sorgerechtsverfahren ist nicht gerechtfertigt.

Für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung findet in sorgerechtlichen Angelegenheiten keine gesonderte Wertfestsetzung statt.

 

Sachverhalt

In einem isolierten Sorgerechtsverfahren hatte das Amtsgericht eine Herabsetzung des Regelwertes von 3.000,00 EUR vorgenommen und dies unter anderem damit begründet, es gehe in dem Verfahren primär um die Verteilung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Teilbereich der elterlichen Sorge. Auch hinsichtlich der Umgangsregelung war das Amtsgericht von dem Regelwert von 3.000,00 EUR abgewichen und hatte einen niedrigeren Wert festgesetzt. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung waren bei der Wertfestsetzung nicht berücksichtigt.

Gegen die Streitwertfestsetzung wurde Beschwerde eingelegt, die teilweise Erfolg hatte.

 

Entscheidung

Das OLG hält eine Abweichung von dem Regelwert für isolierte Sorgerechtsverfahren von 3.000,00 EUR nur dann für gerechtfertigt, wenn der Fall von einem Durchschnittsfall nach oben oder unten abweicht. Zu berücksichtigen hierbei sind die Bedeutung der Sache, das Interesse sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten. Eine Herabsetzung kommt angesichts der ohnehin geringen Höhe des Regelwertes im Hinblick auf den mit derartigen Verfahren verbundenen Aufwand nur in Ausnahmefällen in Betracht. Einen solchen Ausnahmefall hält das OLG - anders als das AG - für nicht gegeben.

Auch der Umstand, dass die Parteien primär um die Verteilung des Aufenthaltsbestimmungsrechts streiten, begründet nach Auffassung des OLG die Herabsetzung des Regelwertes nicht. Dies folgt schon daraus, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht einen wesentlichen Teil des elterlichen Sorgerechts darstellt und in der Praxis tatsächlich häufig lediglich über diesen Teilbereich gestritten wird. Für die Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sind dieselben Kriterien zu prüfen wie bei der vollständigen Zuweisung der elterlichen Sorge. Der Prüfungsumfang ist daher regelmäßig identisch, wenn über die elterliche Sorge insgesamt oder lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht gestritten wird.

Auch eine Abweichung von dem Regelwert für das Umgangsrecht von 3.000,00 EUR hält das OLG für nicht gerechtfertigt. Es handele sich hier um einen selbständigen Verfahrensgegenstand im Verhältnis zur elterlichen Sorge. In umgangsrechtlichen Verfahren stellen sich andere Probleme als in Sorgerechtsverfahren, die mit der Ausgestaltung des Umgangs unter Berücksichtigung des Kindeswohls verbunden sind. Es ist daher nicht angezeigt, grundsätzlich eine geringere Bewertung des Umgangsverfahrens im Vergleich zum Sorgerechtsverfahren vorzunehmen.

Das OLG hält die Beschwerde insoweit nicht für begründet, als der Beschwerdeführer die Festsetzung eines gesonderten Streitwerts für die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Es handelt sich hier um ein unselbständiges Verfahren im Rahmen des Hauptsacheverfahrens, für das weder gesonderte Gerichtsgebühren noch gesonderte Anwaltsgebühren anfallen.

Soweit der Beschluss des OLG eine Verschlechterung gegenüber dem angefochtenen Beschluss zu Lasten des Beschwerdeführers darstellt, steht dem das Verbot der reformatio in peius nicht entgegen. Das Rechtsmittelgericht kann von Amts wegen die erstinstanzliche Festsetzung ändern, wenn das Verfahren wegen der Entscheidung über den Geschäftswert in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Das Verschlechterungsverbot gilt hier nicht.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 12.04.2005, 9 WF 87/05

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