Wie eingangs bereits ausgeführt, gehört das Stimmrecht des Wohnungseigentümers zum Kernbereich seiner elementaren Mitgliedschaftsrechte. Bereits deshalb kommt ein Stimmrechtsausschluss nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht.

6.1 Durch Vereinbarung

Das Stimmrecht ist von derart elementarer Bedeutung, dass es dem Wohnungseigentümer zunächst nicht durch Vereinbarung genommen werden kann. Insoweit wäre etwa eine Vereinbarung, die den Inhabern von Tiefgaragenstellplätzen kein Stimmrecht gewährt, per se nichtig.[1]

Das Stimmrecht als wichtigstes Mitgliedschaftsrecht kann dem Wohnungseigentümer durch Vereinbarung selbst dann nicht genommen werden, wenn ihm erhebliche eigene Pflichtverletzungen zum Vorwurf zu machen sind.[2]

 
Praxis-Beispiel

Unwirksame Klausel in der Gemeinschaftsordnung

"Die Versammlung kann einen Wohnungseigentümer, der mit Zahlungen von Beiträgen länger als einen Monat in Verzug ist, von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung und der Abstimmung ausschließen. Der Betroffene hat hierbei kein Stimmrecht. Mit vollständiger Zahlung der Rückstände entfällt die Wirkung obiger Regelung."

Einen Ausschluss des Stimmrechts oder sein "Ruhen" kann auch nicht für den Zeitpunkt ab Beschlussfassung über die Entziehung des Wohnungseigentums bis zur rechtskräftigen Veräußerungsverpflichtung vereinbart werden.[3]

Zunächst sinnentleert erscheinen vereinzelt in Teilungserklärungen/Gemeinschaftsordnungen vorzufindende Regelungen über ein Stimmverbot im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens übt zwar zunächst der Insolvenzverwalter das Stimmrecht aus und dieses kann ihm durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht genommen werden. Hat er aber die Sondereigentumseinheit aus der Insolvenzmasse freigegeben, übt wieder der Wohnungseigentümer das Stimmrecht aus. Aber auch ihm kann es nicht genommen werden. Lediglich in den eng umrissenen Fällen des § 25 Abs. 4 WEG besteht ein gesetzliches Stimmverbot. Darüber hinaus kann keines wirksam vereinbart werden.

[1] LG München I, Urteil v. 7.2.2019, 36 S 5357/18.
[2] BGH, Urteil. v. 10.12.2010, V ZR 60/10.

6.2 Stimmverbot nach § 25 Abs. 4 WEG

Nach der Bestimmung des § 25 Abs. 4 WEG ist ein Wohnungseigentümer nicht stimmberechtigt, wenn

  • die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm oder
  • die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betrifft oder wenn
  • er nach § 17 WEG rechtskräftig verurteilt ist.

6.2.1 Vornahme eines Rechtsgeschäfts

6.2.1.1 Grundsätze

Der Wohnungseigentümer unterliegt bei der Beschlussfassung über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm selbst einem Stimmverbot, weil er typischerweise von einem persönlichen Sonderinteresse geleitet wird. Es genügt hierbei – wie bei der Frage, ob von einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung etwa des Sondereigentums größere Beeinträchtigungen ausgehen – eine typisierende Betrachtungsweise. Nicht entscheidend ist, ob der Wohnungseigentümer tatsächlich private oder geschäftliche Sonderinteressen verfolgt.

 
Praxis-Beispiel

Eigentümer als Rechtsanwalt

Steht die Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Gemeinschaft zur Wahrung der Interessen gegenüber dem Bauträger auf Grundlage der Vergütungssätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zur Beschlussfassung, würde der etwa beauftragte Wohnungseigentümer, der Rechtsanwalt ist, keine höhere Vergütung als ein außergemeinschaftlicher Kollege erzielen. Bei typisierender Betrachtungsweise hat er aber ein wirtschaftliches Interesse an dem Zustandekommen des Vertrags. Dieses Sonderinteresse führt zum Stimmrechtsverbot gemäß § 25 Abs. 4 WEG.

Das Stimmverbot bezüglich einer Beschlussfassung über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem betreffenden Wohnungseigentümer betrifft sowohl einseitige, zweiseitige und auch mehrseitige Rechtsgeschäfte. Umfasst sind also auch Mahnungen oder Kündigungen.

6.2.1.2 Verflechtungsproblematik

Stimmverbote werden aus der Bestimmung des § 25 Abs. 4 WEG auch für sog. Verflechtungsfälle hergeleitet. Das Stimmrechtsverbot des § 25 Abs. 4 WEG gilt auch dann, wenn die Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft zum Gegenstand hat, das nicht mit einem Eigentümer persönlich abgeschlossen werden soll, jedoch mit einem Unternehmen, mit dem er wirtschaftlich oder persönlich verflochten ist. Nimmt der Wohnungseigentümer ausschließlich mitgliedschaftliche Interessen wahr, besteht kein Stimmrechtsverbot.[1]

Im Übrigen löst nicht schon jede Beteiligung eine wirtschaftliche und persönliche Verflechtung aus. Schädlich ist die beherrschende Beteiligung an einer Gesellschaft oder die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter einer GmbH und Co. KG.[2] Allgemein unterliegt ein Wohnungseigentümer entsprechend § 25 Abs. 4 Alt. 1 WEG bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft mit einer rechtsfähigen (Personen-)Gesellschaft jedenfalls dann einem Stimmverbot, wenn er an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt und deren Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter ist.[3] Nicht geklärt ist, ob der ...

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