Leitsatz

  1. Gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters zur Wahrung prozessualer Notfrist und berechtigter Anwaltsauftrag
  2. Recht auf Teilnahme an Eigentümerversammlung des zu Beratungszwecken zugezogenen Rechtsanwalts kann auch durch konkludenten Geschäftsordnungsbeschluss gebilligt werden
 

Normenkette

§§ 27 Abs. 2 Nr. 2, 43 Nr. 1, Nr. 4 und 5 WEG

 

Kommentar

  1. Im vorliegenden Beschlussanfechtungsverfahren konnte der Beklagtenvertreter wirksam mit Vertretungsmacht für die Beklagten über erteilte Vollmacht des Verwalters auftreten. Der Verwalter war gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG in diesem Passivprozess gesetzlicher Prozessvertreter der Wohnungseigentümer. Ab Klagezustellung an den Verwalter begann die gesetzliche Notfrist von 2 Wochen für die Verteidigungsanzeige zu laufen (§ 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Damit war der Anwaltsauftrag durch die Verwaltung "zur Wahrung einer Frist erforderlich". Da die wirksam erteilte Prozessvollmacht gemäß § 87 ZPO fortwirkt, erfolgte auch die Berufungseinlegung der Beklagten durch den beauftragten Anwalt in rechtswirksamer Weise (h.M., vgl. auch AG Heidelberg, Urteil v. 9.4.2009, 45 C 73/08). § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG enthält eine gesetzliche Vermutung, dass die Führung von Passivprozessen nach § 43 Nr. 1 und Nr. 5 WEG eine objektiv erforderliche Maßnahme zur Nachteilsabwehr darstellt. Es wäre gerade in anonymen Eigentümergemeinschaften lebensfremd, unter Verweis auf die Privatautonomie beklagter Eigentümer ein Untätigbleiben des Verwalters zu fordern.
  2. Das Teilnahmerecht eines zu Beratungszwecken hinzugezogenen Dritten (Rechtsanwalt) kann nicht nur im Wege einer Vereinbarung, sondern auch durch einen Geschäftsordnungsbeschluss der anwesenden Eigentümer anlässlich einer konkreten Versammlung gewährt werden (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss v. 17.1.2005, 20 W 30/04). Vorliegend war auch nicht von einem Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit von Eigentümerversammlungen auszugehen. Die anwesenden Eigentümer hatten durch ihr Schweigen auf die Rüge des Klägers die Anwesenheit des Beklagtenvertreters stillschweigend gebilligt und somit konkludent seine Anwesenheit genehmigt. Es waren auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Berater (Beklagtenvertreter) einseitig die Interessen des Verwalters und des Beirats wahrnahm, auf deren Wunsch er an der Versammlung teilnahm. Insoweit bestand auch Beratungsbedarf der Gemeinschaft. Verfolgung von Partikularinteressen war nicht erkennbar und auch nicht dem Versammlungsprotokoll zu entnehmen. Allein der Verzicht auf Vergütung reichte hierfür nicht aus.
 

Link zur Entscheidung

LG Karlsruhe, Urteil vom 11.05.2010, 11 S 9/08

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