Leitsatz

Erstellt der Steuerberater für einen Arbeitgeber Lohnabrechnungen und zieht er bei den Rentenversicherungsbeiträgen fälschlich keine Arbeitnehmeranteile ab, beginnt der Lauf der Verjährung des Schadensersatzanspruchs in Fällen der unerkannten Beitragspflicht eines Mitarbeiters erst mit dem Zugang des entsprechenden Nachforderungsbescheids der zuständigen Behörde.

 

Sachverhalt

Der beklagte Steuerberater besorgte für die Klägerin u.a. die Lohnabrechnungen. Für den teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter M entrichtete die Klägerin keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Beklagte zog dem Arbeitnehmer dementsprechend keinen Beitragsanteil vom Lohn ab. Anlässlich einer Außenprüfung im Jahr 2000 stellte die LVA abweichend vom Ergebnis einer 1996 vorausgegangenen Prüfung fest, dass M nicht versicherungsfrei[1] war. Darauf wurden mit Bescheid vom 7.11.2000 neben den nachzuentrichtenden Arbeitgeberanteilen von der Klägerin 10306,42 DM unverjährte Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung beginnend mit dem 1.1.1996 nachgefordert. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Sie macht jetzt Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend. Der BGH hob das klageabweisende Urteil des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

 

Entscheidung

Der Senat konnte nicht selbst entscheiden, weil die Sache nicht ausreichend aufgeklärt war. Der BGH weist aber auf grundlegende Pflichten eines Steuerberaters hin, der Lohnabrechnungen erstellt. Dieser muss grundsätzlich prüfen, ob für Arbeitnehmer eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht kommt, wenn Beiträge nicht abgeführt werden[2]. Ergeben sich in einem solchen Fall tatsächliche Unklarheiten oder sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten, so ist der Steuerberater stets gehalten, die Unklarheiten durch Rückfragen auszuräumen oder deswegen auf die Einschaltung eines fachlich geeigneten Beraters hinzuwirken.

Im konkreten Fall spricht nach Auffassung des BGH vieles dafür, dass den Beklagten angesichts der beanstandungsfreien Vorprüfung im Jahre 1996 kein Schuldvorwurf mehr treffen kann. Er müsste für den eingetretenen Schaden nur dann einstehen, wenn er bereits vor der Betriebsprüfung nach der damals bestehenden Aktenlage auf die tatsächliche und rechtliche Klärung einer möglichen Befreiung des M von der Versicherungspflicht hätte hinwirken müssen und in der Folge die unerkannte Beitragspflicht schon vor oder spätestens bei der Betriebsprüfung im Jahre 1996 aufgedeckt worden wäre. Insoweit muss das LG die Sache weiter überprüfen.

 

Praxishinweis

Der Senat vertritt im Übrigen die Auffassung, dass die Haftungsverjährung des § 68 StBerG seit dem Jahre 1996 weder einheitlich noch schrittweise angefangen habe. Denn vor der Beitragsnacherhebung nach der Betriebsprüfung im Jahr 2000 bestand für die Klägerin insoweit nur ein Schadensrisiko, jedoch kein "echter" Schaden. Der (theoretische) Beitragsanspruch ist allein eine abstrakte gesetzliche Abgabenschuld[3]. Vor Erlass eines Beitragsbescheids bestehen zumindest Unsicherheiten über die Verwirklichung eines Schadens. Deswegen kann der Verjährungslauf erst dann beginnen, wenn sich dieses – zuvor unvermutete – Risiko in einem Leistungsbescheid realisiert.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 23.9.2004, IX ZR 148/03

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