Leitsatz

Die öffentlichen Belange des RBerG überwiegen nicht gegenüber der Freiheit der Berufsausübung derjenigen, die das Amt des Testamentsvollstreckers versehen. Ein Verbot der geschäftsmäßigen Ausübung des Amts des Testamentsvollstreckers ohne Erlaubnis nach dem RBerG ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit daher nicht gerechtfertigt. Entsprechendes gilt für ein Verbot des Anbietens geschäftsmäßiger Testamentsvollstreckung.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig. Der Beklagte, ein Diplom-Betriebswirt, betreibt am selben Ort eine Steuerberaterkanzlei. Auf seiner Internetseite bietet er unter anderem auch die Übernahme von Testamentsvollstreckungen an. Der Kläger sieht hierin einen Verstoß gegen das RBerG. Der BGH wies die Unterlassungsklage ab.

 

Entscheidung

Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt derjenige unlauter i.S. des § 3 UWG, der einer gesetzlichen Bestimmung zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zu den Vorschriften, die im Interesse der Marktteilnehmer auch das Verhalten von Unternehmen bestimmen, zählt Art. 1§ 1 RBerG[1]. Die Werbung des Beklagten für die Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers stellt aber kein Angebot einer Rechtsberatung dar, die eine diesbezügliche behördliche Erlaubnis erfordert. Dies folgt nicht bereits aus § 39 Abs. 1 Nr. 6 BOStB. Denn die Berufskammer kann den Anwendungsbereich des Art. 1§ 1 RBerG nicht durch eine bloße Satzung festlegen. Vielmehr scheidet ein Verstoß gegen das RBerG aus, weil es sich bei der vom Beklagten angebotenen Tätigkeit des Testamentsvollstreckers nicht um die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift handelt.

Eine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder zu gestalten. Dabei ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist[2]. Ein Testamentsvollstrecker muss rechtliche und wirtschaftliche Belange berücksichtigen, wenn er den letzten Willen des Erblassers ausführt[3]. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit kann auf rechtlichem Gebiet liegen, muss dies aber nicht zwangsläufig. Er kann in wesentlichem Umfang auch nur einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, wenn er den Nachlass in Besitz nimmt, die zugehörigen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten bewertet und Verbindlichkeiten erfüllt sowie Nachlassgegenstände veräußert. Nahezu alle Lebensbereiche sind mittlerweile rechtlich durchdrungen. Eine wirtschaftliche Betätigung ist kaum ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsberatung kann man daher nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des jeweiligen Verhaltens abstellen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit des Einzelnen, der geschäftsmäßig die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers ausüben will, ist vielmehr eine Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach erforderlich, ob es sich bei ihm um eine Rechtsbesorgung oder um eine Tätigkeit handelt, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann.

Diese Abwägung führt zu einer grundsätzlichen Freiheit der geschäftsmäßigen Übernahme einer Testamentsvollstreckung vom Erlaubnisvorbehalt nach Art. 1§ 1 RBerG. Die §§ 2201ff. BGB sehen keine besondere Qualifikation für das Amt des Testamentsvollstreckers vor. Der Erblasser ist insoweit in seiner Wahl vollkommen frei. Wird die Beurteilung rechtlicher Fragen im Rahmen der Testamentsvollstreckung erforderlich, kann und muss der Testamentsvollstrecker gegebenenfalls seinerseits Rechtsrat einholen. Eine mögliche Belastung des Nachlasses mit entsprechenden Kosten ist die für den Erblasser vorhersehbare Folge der Auswahl der Person des Testamentsvollstreckers. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege wird auch durch die geschäftsmäßige Besorgung von Testamentsvollstreckungen durch Personen, die über keine Erlaubnis nach dem RBerG verfügen, nicht maßgeblich beeinträchtigt.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 11.11.2004, I ZR 182/02

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