Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die Auslegung von Artikel 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie (Leitung und Verwaltung der begünstigten Einrichtung im Wesentlichen ehrenamtlich) in Bezug auf die Steuerbefreiung für bestimmte kulturelle Dienstleistungen gem. Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie. Die zoologische Gesellschaft London als Klägerin ist nach britischem Recht eine Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht (gemeinnützige Körperschaft) und als Unternehmer für Mehrwertsteuerzwecke erfasst. Das Vereinigte Königreich (VK) hatte von Artikel 28 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang E Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie Gebrauch gemacht und bestimmte kulturelle Dienstleistungen gem. Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie weiterhin der Steuerpflicht unterworfen. Nach Streichung von Anhang E Nr. 5 durch Artikel 1 Nr. 1 der 18. EG-Richtlinie vom 18.7.1989 mit Wirkung vom 1.1.1990 musste VK eine Steuerbefreiung für die kulturellen Dienstleistungen einführen. Die Streichung von Nr. 5 in Anhang E der 6. EG-Richtlinie wurde im VK jedoch nicht bereits zum 1.1.1990, sondern am 1.6.1996 mit Rückwirkung in nationales Recht umgesetzt. Die beklagte britische Finanzbehörde verweigerte die Rückerstattung der für den Zeitraum 1.1.1990 bis 30.5.1996 gezahlten Umsatzsteuern mit der Begründung, die Leitung und Verwaltung der zoologischen Gesellschaft erfolge nicht im Wesentlichen ehrenamtlich durch Personen, die weder selbst noch über zwischengeschaltete Personen ein unmittelbares oder mittelbares Interesse an den Tätigkeiten der Einrichtung haben. Die Direktoren der Klägerin und einige ihrer Mitarbeiter übten Tätigkeiten aus, die Leitungs- und Verwaltungscharakter haben, so dass die Bedingung von Artikel 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie, dass die Leitung und Verwaltung ehrenamtlich erfolgen müssen, nicht erfüllt sei.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Bedingung der ehrenamtlichen Leitung und Verwaltung in Artikel 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie sich sowohl auf die Personen bezieht, denen nach der Satzung die oberste Leitung der Einrichtung übertragen ist, als auch auf die Personen, die - ohne nach der Satzung dazu bestimmt zu sein - in letzter Instanz Entscheidungen, insbesondere finanzieller Art, treffen. Die Bedingung betrifft also insbesondere Personen, die satzungsgemäß gegenüber der begünstigten Einrichtung bzw. ihren Mitgliedern verantwortlich sind. Darüber hinaus gilt sie auch für andere Personen, die - als Angestellte der Einrichtung - zwar geschäftsführende und leitende Aufgaben haben, aber nicht nach der Satzung für Erfolg oder Misserfolg verantwortlich gemacht werden können. Den Einrichtungen im Sinne des Artikels 13 Teil A der Richtlinie ist es jedoch nicht grundsätzlich verboten, Personal gegen Entgelt zu beschäftigen, was im Übrigen der gängigen Praxis vieler Einrichtungen entspricht, die in den Anwendungsbereich von Artikel 13 Teil A der 6. EG-Richtlinie fallen ( z. B. Krankenhäuser oder schulische Einrichtungen), die solches Personal zur Erfüllung ihrer Aufgaben beschäftigen. Die Bedingung, dass ein finanzielles Eigeninteresse fehlt, bezieht sich also nur auf die Personen, die an der Leitung und Verwaltung einer Einrichtung unmittelbar beteiligt sind, und nicht auf die Gesamtheit der Personen, die in der Verwaltung dieser Einrichtung entgeltlich beschäftigt sind.

Der Ausdruck "im Wesentlichen ehrenamtlich" bedeutet nach der Entscheidung, dass die gesamte Leitung der Einrichtung in den Händen unentgeltlich tätiger Personen liegen muss. Der Ausdruck bezieht sich also sowohl auf die Mitglieder der satzungsgemäßen Leitungsorgane einer Einrichtung bzw. auf die anderen Personen, die die Einrichtung tatsächlich leiten, als auch auf die Vergütung, die die letztgenannten Personen von der Einrichtung erhalten. Die Tatsache, dass das entgeltlich tätige Personal gelegentlich unwesentlich beim Erlass zentraler Entscheidungen hinzugezogen wird oder dass diesem Personal geringe oder symbolische Vergütungen gezahlt werden, reicht jedoch nicht aus, um der Tätigkeit dieses Personals seinen im Wesentlichen ehrenamtlichen Charakter nehmen und auf einen verschleierten kommerziellen Zweck der Einrichtung schließen zu können. Der EuGH hebt in diesem Zusammenhang darauf ab, dass der Richtliniengeber zwischen den Tätigkeiten der kommerziellen Unternehmen und denen von Einrichtungen, deren Ziel nicht die Erwirtschaftung von Gewinnen für ihre Mitglieder ist, unterscheiden wollte. Die Mehrwertsteuerbefreiung soll den Einrichtungen, die keine kommerziellen Ziele haben, vorbehalten bleiben, indem verlangt wird, dass die an der Leitung und Verwaltung solcher Einrichtungen beteiligten Personen kein finanzielles Eigeninteresse aufgrund einer Vergütung oder einer Gewinnverteilung oder ein nur mittelbares finanzielles Interesse an der Einrichtung haben.

Das deutsche Umsatzsteuerrecht dürfte von d...

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