Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 21.8.2013, V R 20/12, ging es um die Frage einer etwaigen Steuerbefreiung der Personalgestellung von Pflegefachkräften an stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen i.S. des § 4 Nr. 16 UStG. Fraglich war die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL.

Der BFH fragte, ob ein Mitgliedstaat das ihm eingeräumte Ermessen zur Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter dahingehend ausüben kann, dass er zwar Personen anerkennt, die ihre Leistungen an Sozial- und Pflegekassen erbringen, nicht aber auch staatlich geprüfte Pflegekräfte, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen. Falls staatlich geprüfte Pflegekräfte als soziale Einrichtung anzuerkennen sind, stellt sich die Frage, ob sich die Anerkennung einer Zeitarbeitsfirma, die staatlich geprüfte Pflegekräfte an anerkannte Pflegeeinrichtungen (Zieleinrichtungen) verleiht, aus der Anerkennung des verliehenen Personals ergibt. Streitig war auch die Auslegung von Art. 134 Buchst. a MwStSystRL. Insoweit war fraglich, ob die Gestellung von staatlich geprüften Pflegekräften für die Erbringung von Pflegeleistungen der Zieleinrichtung (Entleiher) als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundener Umsatz unerlässlich ist, wenn die Zieleinrichtung ohne Personal nicht tätig werden kann.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Im Streitjahr 2010 verlieh sie als Zeitarbeitsfirma bei ihr angestellte Pflegefachkräfte, bestehend aus Krankenpflegern und Krankenschwestern sowie Altenpflegern und Altenpflegerinnen, an stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen i.S.v. § 4 Nr. 16 UStG. Das FG Hamburg hatte die Klage auf Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG für die Arbeitnehmerüberlassungen zurückgewiesen. Die Klägerin betreibe keine Einrichtung zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG. Unter diese Vorschrift fielen nur private Einrichtungen, die im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anerkannt seien und diese Anerkennung fehle im Streitfall. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, mit der Arbeitnehmerüberlassung eng verbundene Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG ausgeführt zu haben.

Der BFH ging davon aus, dass die Klägerin eng verbundene Leistungen iS von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL erbracht hat, weil darunter auch Personalgestellungsleistungen fallen könnten. Kann eine staatlich geprüfte Pflegefachkraft, die selbst Pflegeleistungen an andere anerkannte Einrichtungen erbringt, eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sein, stellte sich für den BFH die Frage, ob die Klägerin diese Anerkennung auch für sich in Anspruch nehmen kann.

Das deutsche Recht macht die Anerkennung von Einrichtungen mit sozialem Charakter entweder davon abhängig, dass der Unternehmer einen Vertrag mit einer Sozial- oder Pflegekasse abgeschlossen hat und Leistungen erbringt, die ihrer Art nach vom Gegenstand des Vertrages erfasst werden oder von den in § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG genannten Trägern der Sozialversicherung ganz oder zum Teil vergütet werden. Für den BFH war insbesondere fraglich, ob der deutsche Gesetzgeber sein Ermessen dadurch fehlerhaft ausgeübt hat, dass Berufsregelungen für Pflegeberufe für die Anerkennung unerheblich sind.

 

Entscheidung

Der EuGH hat in seinem sehr knapp gehaltenen Urteil (und noch dazu ohne Schlussanträge des Generalanwalts) entschieden, dass weder staatlich geprüfte Pflegekräfte, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen, noch ein Zeitarbeitsunternehmen, das solche Pflegekräfte Einrichtungen, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind, zur Verfügung stellt, unter "Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen.

Zum ersten Teil der ersten Vorlagefrage des BFH hat der EuGH darauf hingewiesen, dass Pflegekräfte als Arbeitnehmer bereits mangels Unternehmereigenschaft nicht unter die Steeurbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen können. Dies ist keine überraschende Erkenntnis und die BFH-Frage war wohl auch nicht in diesem Sinne zu verstehen. Der BFH dürfte mit seiner Frage vielmehr unterstellt haben, dass die Pflegekraft selbständig ist, denn die Frage war darauf gerichtet, ob ein Mitgliedstaat bei der Anerkennung einer Einrichtung als solche mit sozialem Charakter berufsrechtliche Regelungen außer Betracht lassen und sich ausschließlich auf Verträge mit Sozialversicherungsträgern bzw. eine Kostenübernahme durch diese beschränken kann. Insoweit passt die EuGH-Entscheidung wiederum nicht zu dem Tenor des Urteils. Dort heißt es, dass "weder staatlich geprüfte Pflegekräfte, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen, noch ein Zeitarbeitsunternehmen, das solche Pfleg...

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