Rz. 6

Die Verweisung auf spanisches Recht – bei einem internationalen Eherechts- oder Scheidungsfall mit zumindest einem spanischen Ehegatten oder wegen des Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthalts in Spanien (Ehe- oder Scheidungsstatut) – führt noch nicht unmittelbar zum konkret anwendbaren Sachrecht.[14] Spanien ist bekanntermaßen ein Mehrrechtsstaat. Das spanische Recht des Código Civil gilt nicht in allen Teilen Spaniens in gleichem Maße. Das Zivilrecht ist interlokal gespalten. In einigen Regionen beanspruchen besondere Rechte, die sog. Foralrechte, Geltung. Besondere Bedeutung haben in Spanien als Mehrrechtsstaat die Sonderrechte auf dem Gebiet des Eherechts, insbesondere des Ehegüterrechts, wie auch des Erbrechts.[15] Dem Zentralstaat steht zwar die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Zivilrechts zu (vgl. Art. 149 Abs. 1 Nr. 8 Constitución Española[16]), darunter u.a. für die Form der Eheschließung oder die Regelung der öffentlichen Register und Urkunden, nicht jedoch für die Regelungen des Ehegüterrechts. Soweit auf diesem Gebiet also foralrechtliche Regelungen bestehen, sind diese vor dem allgemeinspanischen Recht des Código Civil nach Art. 13 CC vorrangig zu beachten, der in Sonderrechtsgebieten lediglich subsidiär gilt – lückenfüllend als derecho supletorio (Art. 13 Abs. 2 CC).

 

Rz. 7

Im Einzelnen gibt es in folgenden Gebieten Foralrechte:

Aragón,
Balearen,
Baskenland,
Galizien,
Katalonien[17] sowie
Navarra.[18]
 

Rz. 8

Somit gelten in Spanien nebeneinander – einschließlich des Código Civil – nicht weniger als sieben verschiedene "Familienrechts- bzw. Ehegüterrechtsordnungen".[19] Auf dem Gebiet des Rechts der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist die Gesetzesvielfalt noch größer (siehe Rdn 102).

 

Rz. 9

Welches der verschiedenen Foralrechte im Einzelfall zur Anwendung gelangt, bestimmt sich nach der bürgerlich-rechtlichen Gebietszugehörigkeit (Vecindad civil)[20] der Ehegatten. Nach Art. 14 Abs. 2 CC wird diese originär durch Abstammung von den Eltern mit der entsprechenden Gebietszugehörigkeit (ius sanguinis) oder durch Adoption erworben, wobei der Adoptierte die Gebietszugehörigkeit der Adoptiveltern erwirbt. Bei unterschiedlicher Gebietszugehörigkeit der Eltern erlangt das Kind die Gebietszugehörigkeit desjenigen Elternteils, von dem die Abstammung früher festgestellt wurde. Bei ihrem Fehlen erwirbt der Abkömmling die Gebietszugehörigkeit am Geburtsort (ius soli) und erst an letzter Stelle die Vecindad civil zum gemeinen Recht (Art. 14 Abs. 3 S. 1 CC).[21]

 

Rz. 10

Im Übrigen gilt für Gesetzeskollisionen, die etwa daraus entstehen, dass Ehegatten keine übereinstimmende, sondern eine unterschiedliche Vecindad civil besitzen, die Sonderregel des Art. 16 Abs. 1 CC. Danach finden die allgemeinen Normen des spanischen IPR Anwendung, d.h. hier Art. 9 CC, jedoch mit der Besonderheit, dass das Personalstatut dasjenige Recht ist, das durch die bürgerlich-rechtliche Gebietszugehörigkeit bestimmt ist (Art. 16 Abs. 1 Nr. 1 CC). Das Recht der Ehewirkungen zwischen Spaniern richtet sich interlokal nach dem spanischen (Teil-)Recht, das wiederum nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 9 CC anwendbar ist, und bei dessen Fehlen nach dem Código Civil (Art. 16 Abs. 3 CC). Das Ehegüterrecht von Eheleuten, die bei Eingehung der Ehe bzw. Begründung des Ehegüterstands eine unterschiedliche Gebietszugehörigkeit besitzen, bestimmt sich demnach in entsprechender Anwendung der allgemeinen Regel des Art. 9.2 CC (betrifft die Bestimmung des Ehegüterstatuts bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit) nach der Gebietszugehörigkeit eines der Ehegatten, sofern dessen Vecindad civil in öffentlicher Urkunde durch beide Ehegatten zur gemeinsamen Gebietszugehörigkeit erklärt worden ist.[22] Fehlt eine solche Rechtswahl, untersteht das Ehegüterrecht spanischer Eheleute mit unterschiedlicher bürgerlich-rechtlicher Gebietszugehörigkeit dem Recht des im Anschluss an die Eheschließung gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes oder dem Recht des Ortes der Eheschließung (Art. 16 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 9.2 CC).

[14] Vgl. Steinmetz/Huzel/García Alcázar, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, 4. Aufl. 2020, Länderbericht Spanien: Gemeinspanisches Recht, S. 1390 Rn 57 f.
[15] Siehe insbesondere Hierneis, Das besondere Erbrecht der sogenannten Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; siehe auch Rudolph, MittRhNotK 1990, 103 ff.
[16] Spanische Verfassung in deutscher Übersetzung bei López Pina, Spanisches Verfassungsrecht, 1993, S. 555 ff.
[17] Wegen der Bedeutung der eigenen Rechtslage Kataloniens hat diese in diesem Werk eine gesonderte Darstellung durch Ferrer Riba "Länderbericht Katalonien" erfahren.
[18] Auflistung der Foralrechtsgebiete mit Landkarte bei Hierneis, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht (Loseblatt), Länderteil Spanien, S. 2–4.
[19] Siehe auch Löber/Huzel, Erben und Vererben in Spanien, 5. Aufl. 2015, Rn 46 f.
[20] Ausf. zur Vecindad civil siehe Steinmetz/Huzel/García Alcázar, in: Süß (Hrsg.), E...

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