Rz. 70

Allgemein besteht auch in Spanien in familienrechtlichen Angelegenheiten Anwaltszwang, wenn die Parteiinteressen nicht bereits von der Staatsanwaltschaft als notwendige Verfahrensbeteiligte wahrgenommen werden (Art. 749 LEC 2000). Dabei besteht in Spanien die Besonderheit, dass sich die Parteien sowohl durch einen Abogado als auch durch einen Procurador (de los Tribunales)[80] vertreten lassen müssen (Art. 750 LEC 2000). Zunächst wird der Abogado (der spanische Rechtsanwalt) für die Parteien tätig; er ist in einem gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zuständig für die Ausarbeitung der Antrags- und Klageschriften sowie der (weiteren) Schriftsätze. Diese sind dann vom eigentlichen Prozessbevollmächtigten, dem Procurador – einem typischen Phänomen des spanischen Zivilprozessrechts,[81] der die Parteien in der Gerichtsverhandlung vertritt –, bei Gericht einzureichen. Der Procurador wird auch beschrieben als eine Art Verbindungsmann zwischen dem Abogado, der Prozesspartei und dem Gericht.[82] Die Funktionen von Abogado und Procurador sind, wie es auch in England zwei Arten von Prozessvertretern gibt, grundsätzlich verschiedene. Kurz: Der Procurador vertritt die Partei im Prozess (ohne jedoch plädieren zu dürfen), der Abogado ist für die Verteidigung (Interessenswahrung) seines Mandanten zuständig. Beide haben gemeinsam Postulationsfähigkeit, beide machen eigenständige Rechtsberufe und Organe der Rechtspflege aus, wie sie im spanischen "Gerichtsverfassungsgesetz" vorgesehen sind,[83] eine Personenidentität ist daher ausgeschlossen. Demzufolge ist auch die Vertretung im Trennungs- oder Scheidungsverfahren durch nur einen der beiden Rechtsvertreter – etwa aus Kostengründen – grundsätzlich nicht zulässig. Lediglich im Fall einvernehmlicher Trennung und einvernehmlicher Scheidung ist die Vertretung durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt und Prozessbevollmächtigen ausdrücklich zugelassen (Art. 750 Abs. 2 S. 1 LEC 2000). Dieses gesetzgeberische Entgegenkommen erstreckt sich für die Parteien aber nicht auf die Ausarbeitung des oben genannten Regelungsabkommens (siehe Rdn 64 ff.), wo wegen der ggf. widerstreitenden Interessen beider Parteien hinsichtlich einzelner Regelungsbereiche sich die Beauftragung je eines eigenen Rechtsanwalts geradezu aufdrängt.[84] Die Beauftragung des Procurador hat durch eine notariell errichtete Vollmacht mit bestimmtem Wortlaut zu erfolgen. Eine privatschriftliche, kurz gefasste Vollmacht reicht im Gegensatz zur Praxis in anderen europäischen Ländern für das Auftreten vor einem spanischem Gericht nicht aus.

[80] Auch: "Apoderado procesal" oder "Procurador de los Tribunales", kurz: "Procurador", vgl. Fernández-Nespral/Walcher, Diccionario de Derecho Procesal Civil (Rechtswörterbuch zum Zivilprozeßrecht), zweisprachig, 2002, S. 213 sub "apoderado procesal".
[81] Im deutschen Zivilprozessrecht gibt es keine dem procurador entsprechende Person, vielmehr ist es bekanntermaßen der Anwalt allein, der in Stellvertretung seines Mandanten in Prozessen mit Anwaltszwang auftritt.
[82] Durch Weiterleitung von Unterlagen, Entgegennahme von prozessleitenden Beschlüssen und Urteilen des Gerichts, siehe etwa Rothe, Diccionario júrídico – Rechtswörterbuch (spanisch-deutsch/deutsch-spanisch), 1996, S. 244 f. sub "procurador".
[83] Ley Orgánica 6/1985, de 1 de julio, del Poder Judicial (genau: Organgesetz über die rechtsprechende Gewalt): Art. 436 – betr. den Abogado, Art. 438 – betr. den Procurador.
[84] Vilalta/Méndez, Divorcio de mutuo acuerdo, Rn 13.

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