Leitsatz

Das Jobcenter kann verpflichtet sein, den auf einen Wohnungseigentümer entfallenden Anteil einer Sonderumlage zu übernehmen.

 

Normenkette

§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II; § 28 Abs. 5 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K bezieht vom Jobcenter B Arbeitslosengeld II. 2010 beschließen die Wohnungseigentümer die Sanierung von 4 Balkonen, finanziert durch eine Sonderumlage. K, der keinen Balkon hat, beantragt beim Jobcenter B, den auf ihn entfallenden Anteil der Sonderumlage zu übernehmen. Das lehnt das Jobcenter ab – woraufhin K gegen das Jobcenter klagt.
  2. Das Sozialgericht weist die Klage ab. K's dagegen gerichtete Berufung ist teilweise erfolgreich. Das Landessozialgericht meint zwar, die Kosten der Sanierung der Balkone seien grundsätzlich als Bedarf im Monat ihrer Fälligkeit berücksichtigungsfähige, einmalige Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie seien tatsächliche Aufwendungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, führten nicht zu einer Verbesserung des Standards des selbst genutzten Eigenheims und seien geeignet und erforderlich, dem Leistungsberechtigten sein Eigentum zu Wohnzwecken zu erhalten. K sei außerdem zur Zahlung der Balkonumlage verpflichtet. Die nicht zum Nutzungsbereich seiner Wohnung gehörenden Balkone beträfen seine "Unterkunft", weil sie gemeinschaftliches Eigentum seien. Der Umfang der Sanierungsmaßnahmen überschreite auch nicht das notwendige Maß zur Wiederherstellung eines schadenfreien Balkons. Die Sonderumlage sei aber nicht in der geltend gemachten Höhe angemessen. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von "Eigentumswohnungen" verbundenen Kosten sei an den für Mietwohnungen angemessenen Kosten zu messen, dies bezogen auf ein Kalenderjahr.
  3. Mit seiner Revision will K vom Jobcenter auch die weiteren Kosten erstattet bekommen.
 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! K habe einen Anspruch auf Zahlungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, soweit sie nicht zu einer Verbesserung des Standards der selbst genutzten Immobilie führten. Instandhaltung bedeute die Erhaltung des vertrags- und ordnungsgemäßen Zustands des Wohnobjekts, also die Beseitigung der durch Abnutzung, Alter und Witterungseinwirkungen entstehenden baulichen und sonstigen Mängel. Bei Instandsetzungskosten handle es sich in der Regel um Kosten aus Reparatur und Wiederbeschaffung. Instandsetzung und Instandhaltung beträfen deshalb Mängel an der baulichen Substanz der Immobilie oder ihrer Teile. Eine mit diesen Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen verbundene Wertsteigerung der Immobilie sei nur eine Folge der notwendigen Erhaltung und schließe deren Berücksichtigungsfähigkeit nicht aus. Dass zu K's Wohnung kein Balkon gehöre, sei unerheblich. Sondereigentum an einem Balkon erstrecke sich allein auf den Luftraum, den Innenanstrich und den Bodenbelag. Die konstruktiven und solche Teile, die ohne Veränderung der äußeren Gestalt des Gebäudes nicht verändert werden könnten, seien gemeinschaftliches Eigentum (Hinweis auf BGH v. 15.1.2010, V ZR 114/09) und stünden damit auch im Eigentum des K.
  2. Als angemessene Aufwendungen der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien für eine selbst genutzte Immobilie die Aufwendungen anzusehen, die im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum für entsprechende Mietwohnungen als angemessen anzusehen seien, wobei die im Kalenderjahr anfallenden, berücksichtigungsfähigen Gesamtaufwendungen mit der abstrakt angemessenen Jahresnettokaltmiete zu vergleichen seien. Dass der leistungsberechtigte Wohnungseigentümer bei Nichtzahlung von Aufwendungen, wie der Balkonumlage, seine Wohnung verlieren könne, stellt keine Besonderheit dar. Sie drohe Mietern auch. Eine nur begrenzte Übernahme scheidet jedoch aus, weil es bereits an der hierfür erforderlichen Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II fehle.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Das Bundessozialgericht hat offen gelassen, ob in Fällen, in denen die Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten zu einem besonders hohen Betrag führen, etwas anderes gilt.
  2. Ist der Balkonraum nach der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan dem Sondereigentum zugeordnet, steht der Luftraum über seiner Bodenplatte nach herrschender Ansicht im Sondereigentum. Ferner stehen damit von Gesetzes wegen auch die wesentlichen Gebäudebestandteile dieses Raums im Sondereigentum – soweit dem das Gesetz nicht entgegensteht. Im Sondereigentum stehen daher in der Regel ein etwa vorhandener Bodenbelag einschließlich Verfugung und Mörtelbett bzw. Untergrund, der Putz, Anstrich, Verkleidungen, Vertäfelungen usw. der Balkonbrüstung. Im gemeinschaftlichen Eigentum stehen hingegen immer die "konstruktiven Balkonteile", mithin:

    • Außenanstrich oder Außenverkleidung samt Decken, Balkongittern, Geländern und Seitenwänden, selbst wenn ihnen keine tragende Funktion zukommt;
    • Balkonaußenwände;
    • eine die äußere Gebäudegestaltung beeinflussende Balkonplatte;
    • Bodenplatte samt darauf angebrachter Isolierung;
    • Dachunterspannbahn, Balkondecke und Abschlussgitter;
    • Balkonbr...

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