Leitsatz

  1. Sonderumlage für die Bezahlung von Kostenvorschüssen an den Rechtsanwalt der Antragsgegner in einem Beschlussanfechtungsverfahren ist anfechtbar, allerdings nicht nichtig
  2. Keine Wiedereinsetzung bei schuldhaftem Rechtsirrtum über Anfechtungsfrist
 

Normenkette

§§ 16 Abs. 5 und 23 WEG

 

Kommentar

  1. Ein Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage ist anfechtbar, aber nicht nichtig, wenn die Sonderumlage für die Bezahlung von Kostenvorschüssen an den Rechtsanwalt der Antragsgegner in einem Beschlussanfechtungsverfahren erhoben wird. Die Anfechtbarkeit wegen inhaltlichen Bedenken eines solchen Beschlusses ergibt sich aus § 16 Abs. 5 WEG, da die Kosten eines Verfahrens nach § 43 WEG nicht zu den Kosten der Verwaltung im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG gehören. Dies gilt grundsätzlich auch für die vorläufige Aufbringung der Kosten eines solchen Verfahrens (BayObLG v. 6.8.1976, BReg 2 Z 61/75, BayObLGZ 1976, 223). Mit den Verfahrenskosten dürfen deshalb nicht alle Wohnungseigentümer belastet werden (BayObLG v. 25.6.1992, 2Z BR 25/92, NJW-RR 1992, 1431).
  2. Etwas anderes gilt nur für Wohngeldverfahren, da dort ein Anspruch der übrigen Wohnungseigentümer im Sinne des § 432 BGB geltend gemacht wird (KG, WE 1992, 92). Ein Beschlussanfechtungsverfahren ist auch nicht vergleichbar mit Verfahren, wenn es um Streitigkeiten mit einem Bauträger geht, der zugleich Wohnungseigentümer ist; insoweit handelt es sich um gemeinschaftliche Angelegenheiten der Wohnungseigentümer, wenn der Bauträger sozusagen als Außenstehender in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, NJW 1998, 3239 und BayObLG v. 31.1.1992, BReg 2 Z 143/91, NJW 1993, 603 und NZM 2001, 766).
  3. Nichtig ist allerdings ein gegen § 16 Abs. 5 WEG verstoßender Beschluss nicht, da er allenfalls die gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 5 WEG als Einzelfallregelung unrichtig anwendet, selbst wenn eine solche Sonderumlage der Deckung von Kosten mehrerer Beschlussanfechtungsverfahren dienen soll; eine generelle Regelung, dass künftig Vorschüsse für alle weiteren Beschlussanfechtungsverfahren auf alle Wohnungseigentümer umgelegt werden sollen, enthält der Beschluss nicht.
  4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs. 2 FGG) ist i.Ü. nicht allein deshalb zu gewähren, weil ein Antragsteller in schuldhaftem Rechtsirrtum davon ausgegangen ist, dass die Anfechtungsfrist erst mit dem Zugang des Protokolls zu laufen beginne.
 

Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 29.04.2004, 2Z BR 004/04

Anmerkung

Ob ein solcher Sonderumlagebeschluss zur "Vorfinanzierung" der anwaltlichen "Verteidigungskosten" in einem Beschlussanfechtungsverfahren bereits erfolgreich anfechtbar ist, selbst wenn hier zunächst ein anfechtender Antragsteller anteilig mitbelastet werden sollte, erscheint mir doch fraglich. Sinn und Zweck des § 16 Abs. 5 WEG ist es doch, dass hinsichtlich der endgültigen Kostenverteilung von Gerichts- und außergerichtlichen Kosten insbesondere in Beschlussanfechtungsverfahren die jeweilige Kostenentscheidung (Prozesskostenverteilung) des Gerichts maßgeblich sein soll, was soviel bedeutet, dass dann auch in abschließenden Einzelabrechnungen anteilige Belastungen im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG entfallen bzw. Gutschriften zu erteilen sind, sollte ein anfechtender Antragsteller nach der Gerichtsentscheidung von einer Prozesskostenbelastung freigestellt werden. Die vorläufige Finanzierung von Kostenvorschüssen (für das Gericht und auch den Anwalt der in Antragsgegnerschaft stehenden restlichen Eigentümergemeinschaft) erfolgt heute in der Praxis regelmäßig über die Gemeinschaftskasse, was "zunächst" auch zu einer Mitbelastung des Antragstellers führt. Dies erscheint insbesondere dann sachgerecht, wenn - wie im Regelfall - auch ein Verwalter zur Vertretung der Antragsgegner (der restlichen Eigentümer) auch auf Passivseite ermächtigt sein sollte, verbunden mit der Berechtigung, für alle Antragsgegner auch einen Anwalt beauftragen zu können. Die Feststellung des BayObLG würde dazu führen, dass sich eine eigene Prozessgemeinschaft der auf Antragsgegnerseite stehenden Eigentümer bilden müsste, die dann auch erst über ein eigenständig einzuforderndes Geldvermögen ("Anfechtungsverteidigungs-Sonderumlage") solche Vorschussforderungen zu bezahlen hätte. Dieser umständliche Weg ist sicher nicht praxisgerecht, auch nicht in wohnungseigentumsgerichtlichen Verfahren nach § 43 WEG innerhalb einer Gemeinschaft. Sondervermögen für die Gerichts- und Anwaltskosten in Beschlussanfechtungsverfahren sind i.d.R. in Gemeinschaften nicht gebildet. Ist die Auffassung des Senats richtig, könnte innerhalb der Gruppe von Anfechtungsgegnern überhaupt keine anfechtungssichere Beschlussfassung nach WEG in diesen Finanzierungsfragen erfolgen, da dann nicht von einer alle Eigentümer betreffenden "gemeinschaftlichen Verwaltungsangelegenheit" gesprochen werden könnte. Fehlende Beschlusskompetenz einer Gemeinschaft "minus des Antragstellers" würde hier m. E. sogar zu einem Nichtbeschluss im Sinne des WEG, mindestens zu einem nichtigen Beschl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge