Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegebedürftigkeit. Voraussetzungen des Pflegegrads 2

 

Orientierungssatz

Zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 15 Abs 3 S 4 Nr 2 SGB 11 für die Einstufung in den Pflegegrad 2.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 01.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2018 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.12.2017 Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XI unter Zugrundelegung des Pflegegrades 2 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich im vorliegenden Klageverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 01.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2018 und begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) unter Zugrundelegung des Pflegegrades 2.

Der 2010 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegeversichert. Beim Kläger wurde unter anderem die Erkrankung zystische Fibrose (Mukoviszidose) diagnostiziert.

Unter dem 21.12.2017 wurde für den Kläger Antrag auf Pflegeleistungen in Form von Pflegegeld bei der Beklagten gestellt. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK), der in seinem Gutachten vom 22.01.2018 nach Bewertung der einzelnen Module des Begutachtungsinstruments im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB XI zu dem Ergebnis kam, dass beim Kläger in der Summe 20,00 gewichtete Punkte erreicht werden.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 01.02.2018 bewilligte die Beklagte dem Kläger sinngemäß ab dem 28.12.2017 Leistungen unter Zugrundelegung des Pflegegrades 1 in Form von Entlastungsleistungen bis zu einem monatlichen Gesamtbetrag in Höhe von 125,00 Euro.

Mit einem undatierten Schreiben, das bei der Beklagten am 19.02.2018 eingegangen ist, wurde Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.02.2018 eingelegt. Zur Begründung des Widerspruchs wurde unter anderem ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seines jungen Alters die Notwendigkeit der ausreichenden Nahrungsaufnahme (auch ohne Hungergefühl oder Appetit) noch nicht erkennen könne. Daher leisteten seine Eltern durch stetigen Zuspruch und Motivationsarbeit die erforderliche Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme. Es handele sich hierbei um die Grundversorgung „Essen und Trinken zu sich nehmen“ und nicht um eine ärztlich verordnete Diät, in der die Art und Menge wie auch der Zeitpunkt der Essensaufnahme aus therapeutischen Gründen geregelt sei.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine erneute Begutachtung durch den MDK. In seinem Gutachten vom 01.08.2018 kam der MDK nach Bewertung der einzelnen Module des Begutachtungsinstruments erneut zu dem Ergebnis, dass beim Kläger in der Summe 20,00 gewichtete Punkte erreicht werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2018 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.02.2018 zurück.

Mit Schreiben der anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers vom 21.11.2018, beim Sozialgericht Würzburg eingegangen am 22.11.2018, wurde im vorliegenden Verfahren Klage gegen den Bescheid vom 01.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2018 erhoben mit dem Begehren, dem Kläger Leistungen unter Zugrundelegung des Pflegegrades 2 zu gewähren. Auf die Ausführungen zur Klagebegründung wird verwiesen.

Im Laufe des Klageverfahrens wurden von Klägerseite umfangreiche medizinische Unterlagen vorgelegt. Darüber hinaus wurden durch das Gericht Befundberichte des Universitätsklinikums E-Stadt - Kinderklinik und Poliklinik - sowie der Kinderärztin Dr. D. beigezogen.

Auf der Grundlage der Beweisanordnung vom 12.03.2019 beauftragte das Gericht den Sachverständigen Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG). In seinem Gutachten vom 22.06.2019 kam der Sachverständige nach Bewertung der einzelnen Module des Begutachtungsinstruments zu dem Ergebnis, dass beim Kläger in der Summe 30,00 gewichtete Punkte erreicht würden und dass unter Berücksichtigung der Aktenlage und der beim Hausbesuch erhaltenen Informationen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Rückdatierung des skizzierten Ressourcen-Szenarios auf den Dezember 2017 (Antragsdatum) möglich sei. Im Rahmen der Begründung des Gutachtens wurde vom Sachverständigen Dr. F. zum Modul 4, das von ihm mit insgesamt 10,00 gewichteten Punkten bewertet wurde, unter anderem ausgeführt, dass beim Kläger nach einer Stellungnahme der Uni-Kinderklinik E-Stadt gegenüber gesunden Kindern ein um ca. 150 % erhöhter Kalorienbedarf bestehe. Berücksichtige man dann noch die Tatsache, dass der Kläger von sich aus so gut wie nie Hungergefühle äußere, sei der Kläger beständig zum Essen zu motivieren und es sei in besonderem Maße darauf zu achten, dass die erforderliche Nahrung (nach Menge und Qualität) im Tagesverlauf auch tatsächlich aufgenommen werde.

Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, zum Gutachten vom 22.06.2019 Stellung zu nehmen....

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