Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Gewährung von Pflegegeld

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Pflegegeld setzt gemäß § 37 Abs. 1 SGB 11 voraus, dass Pflegebedürftigkeit i. S. des § 14 SGB 11 vorliegt. Der Pflegegrad nach Stufe 1 setzt eine Gesamtpunktzahl der pflegebedürftigen Person von 12, 5 bis 27 Gesamtpunkten voraus. Beträgt die vom Sachverständigen ermittelte Gesamtpunktzahl lediglich 2,5, so ist der Pflegegrad 1 nicht erreicht, mit der Folge, dass ein Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 SGB 11 ausgeschlossen ist.

2. Hält das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen für überzeugend, so ist eine weitere Begutachtung des Antragstellers nicht erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem maßgeblichen Gutachten um ein von der Pflegekasse beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung eingeholtes Gutachten handelt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI).

Der Kläger beantragte am 04.11.2019 bei der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld.

Die Beklagte beauftragte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) mit einer Begutachtung. In dem Gutachten vom 09.12.2019 gab der Gutachter E. an, pflegebegründende Diagnosen seien Epilepsie und die Folgen eines Schlaganfalls. Im gutachterlichen Befund gab er an, der Kläger sei im Wohnbereich in Tageskleidung auf einem Sitzmöbel sitzend angetroffen worden. Es bestehe ein guter Allgemein-, adipöser Ernährungs-, angemessener Kraft- und guter Pflegezustand. Der Nackengriff sei beidseits durchführbar. Beim Schürzengriff würden sich die Hände im Rückenbereich berühren. Der Händedruck sei beidseits kraftreduziert. Der Faustschluss sei vollständig. Die Feinmotorik sei beidseits erhalten. Der Pinzettengriff sei mit Daumen und Zeigefinger ausführbar. Alle Bewegungen würden verlangsamt ausgeführt. Die Rumpfstabilität sei erhalten. Ein aufrechtes Sitzen sei möglich. Das Aufstehen aus dem Sitzen werde eigenständig gezeigt. Ein Stehen sei eigenständig frei möglich. Das Gehen sei ohne Hilfsmittel sicher im eigenen Wohnbereich. Das Ausführen einer Rumpfbeuge werde vom Kläger abgelehnt. Alle Bewegungen würden verlangsamt ausgeführt. Es bestünden keine Ruhe- oder Belastungsdyspnoe, keine Lippenzyanose und keine peripheren Ödeme. Eine Inaugenscheinnahme der Haut sei klägerseits nicht gewünscht. Der Visus sei mit Brille kompensiert. Eine Verständigung sei bei normaler Ansprache möglich. Der Kläger sei zu allen Qualitäten orientiert. Ein sinngebendes Gespräch sei problemlos möglich. Der Begutachtungsanlass werde verstanden. Aufforderungen würden umgehend und vollständig umgesetzt. Die Krankengeschichte und die aktuelle Lebenssituation würden umfassend geschildert. Der Kläger sei freundlich. In Modul 1: Mobilität gab der Gutachter an, der Kläger sei überwiegend unselbstständig beim Treppensteigen. In Modul 2: kognitive und kommunikative Fähigkeiten sah der Gutachter keine Beeinträchtigungen des Klägers. In Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen sah der Gutachter ebenfalls keine Beeinträchtigungen des Klägers. In Modul 4: Selbstversorgung gab der Gutachter an, der Kläger sei überwiegend selbstständig beim Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare. In Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sah der Gutachter keinen Hilfebedarf des Klägers. In Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte sah der Gutachter keine Beeinträchtigungen des Klägers. Im Ergebnis ergab sich hieraus eine Summe der gewichteten Punkte von 2,5.

Mit Bescheid vom 09.12.2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers daraufhin ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14.12.2019 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe gegen § 18 SGB XI verstoßen. Ihm sei die Entscheidung der Beklagten nicht spätestens 25 Arbeitstage nach Eingang des Antrags bei der Beklagten mitgeteilt worden. Zudem habe die Beklagte ihm nicht mindestens drei unabhängige Gutachter zur Auswahl benannt. Überdies sei das Gutachten des MDK fehlerhaft. Er bezog sich auf eine Berechnung mit einem Pflegegrad Rechner, wonach eine Summe der gewichteten Punkte von 52,5 entsprechend Pflegegrad 3 erreicht werde.

Die Beklagte beauftragte daraufhin erneut den MDK mit einer Begutachtung. In dem Gutachten vom 04.02.2020 führte die Gutachterin R. aus, unter richtlinienkonformer Betrachtung des Sachverhaltes, Wertung der aktuell vorliegenden Unterlagen und der aktuellen Interpretation des neuen Pflegebegriffes sei aus zweitgutachterlicher Sicht das Vorgutachten hinsichtlich der Würdigung der pflegerelevanten Vorgeschichte, der Darstellung der funktionellen Einschränkungen, Fähigkeitsstörungen und Ressourcen des Klägers sowie des daraus resultiere...

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