Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vertrag über häusliche Krankenpflege. Schiedsspruch. Leistungsbestimmung durch einen Dritten. billiges Ermessen. gerichtliche Überprüfung. Beachtung der Beitragssatzstabilität

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung einer unabhängigen Schiedsperson nach § 132a Abs. 2 S 6 SGB 5 stellt keinen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 SGB 10, sondern eine Leistungsbestimmung durch einen Dritten nach § 317 BGB dar.

2. Wird der Maßstab für die Entscheidung einer unabhängigen Schiedsperson nach § 132a Abs. 2 S 6 SGB 5 durch die Vertragsparteien nicht näher bestimmt, hat die Schiedsperson nach § 317 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu entscheiden. In diesem Fall hat ein staatliches Gericht nur zu überprüfen, ob die Entscheidung der Schiedsperson offensichtlich unbillig ist.

 

Orientierungssatz

Bei Verträgen im Rahmen des Leistungserbringungsrechts (hier: häusliche Krankenpflege) ist sowohl das Interesse der Leistungserbringer, ihre Leistungen wirtschaftlich zu erbringen, also die Kosten zu decken und einen Gewinn zu erwirtschaften, als auch das Interesse der Krankenkasse, Leistungen möglichst preisgünstig einzukaufen, zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.11.2010; Aktenzeichen B 3 KR 1/10 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

3. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger.

4. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Aufhebung oder Abänderung des Schiedsspruchs des Beklagten vom 2. Mai 2007.

Zwischen den Klägern, den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen in Hessen, und den Beigeladenen, den Verbände der freien Wohlfahrtspflege in Hessen, wurde am 8. Dezember 2004 der “Rahmenvertrag über die häusliche Krankenpflege nach § 132a SGB V in Hessen„ (Rahmenvertrag 2005) geschlossen. Dieser ersetzt einen früher zwischen den Parteien bestehenden Vertrag (Rahmenvertrag 1996).

Der Rahmenvertrag 2005 enthält in §§ 1 bis 40 Regelungen über den Inhalt des Vertrages, über allgemeine Grundsätze, über den Inhalt und die Abgrenzung der häuslichen Krankenpflege, über die Eignung von Leistungserbringern, über Maßnahmen der Qualitätssicherung, über den Inhalt und den Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit den an der Versorgung beteiligten Dritten, über Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung und über die Grundsätze der Vergütung und ihrer Strukturen.

In § 25 heißt es unter der Überschrift “Pflegedokumentation„ u.a.:

“1) Der Pflegedienst hat ein geeignetes, dem aktuellen Standard entsprechendes Pflegedokumentationssystem anzuwenden. …

(2) …

(3) Die Pflegedokumentation ist, von in der Pflegedokumentation begründeten Ausnahmefällen abgesehen, beim Versicherten aufzubewahren (…). Die Krankenkasse hat die Einwilligung des Versicherten zur Einsicht in die Pflegedokumentation einzuholen. Auf Anfrage einer Krankenkasse und mit Einverständnis des Versicherten gewährt der Pflegedienst Einblick in die Dokumentation, soweit diese beim Pflegedienst aufbewahrt wird.

Die Versendung von Dokumentationsnachweisen ist entsprechend der Regelung in der Vergütungsvereinbarung zu vergüten.

(5) …„

Hinsichtlich eines möglichen Beitritts der den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege angeschlossenen ambulanten Dienste und Sozialstationen zum Rahmenvertrag 2005 heißt es unter der Überschrift “§ 41 Beitrittsverfahren„:

“Für das Beitrittsverfahren wird die als Anlage 2 beigefügte Vereinbarung verwendet.„

In der “Anlage 2 zum Rahmenvertrag nach § 132a SGB V vom 1. Januar 2005„ heißt es unter Überschrift “Beitrittsvereinbarung zum Rahmenvertrag nach § 132a SGB V„ u.a.:

“Als Träger des ambulanten Pflegedienstes erklären wir hiermit den Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 132a SGB V zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege in Hessen …

§ 1 Allgemeines

Der Pflegedienst erkennt durch die Beitrittserklärung die Inhalte des Rahmenvertrages nach § 132a SGB V vom 1. Januar 2005 sowie der von den Rahmenvertragsparteien ausgehandelte Schiedspersonen-Regelung (Anlage 1) als verbindlich an.„

In der “Anlage 1 der Beitrittsvereinbarung„ werden unter der Überschrift “Schiedsperson nach § 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V„ Regelungen über die Bestellung, die Aufgaben, die Amtsführung und die Abberufung der Schiedsperson, Regelungen über das Schiedsverfahren und seine Einleitung -sowie Regelungen über die Entscheidung der Schiedsperson und die Kündigung der Vereinbarung getroffen. Dort heißt es u.a.:

Ҥ 1 Bezeichnung und Aufgaben

Die nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V zu ernennende unabhängige Schiedsperson ist zuständig für Entscheidungen zu den vertraglichen Regelungen gemäß § 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V. ….

§ 2 Zusammensetzung und Amtsführung

Die Schiedsperson ist unparteiisch und unabhängig; …

§ 3 Bestellung der Schiedsperson

Die Vertragsparteien bestimmen gemeinsam zwei Personen, die die Aufgaben der Schiedsperson wahrnehmen. Mit der schriftlichen Bereitschaftserklä...

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