Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 07.09.2000; Aktenzeichen 1 BvR 1833/98)

BSG (Urteil vom 13.05.1998; Aktenzeichen B 14 EG 3/97 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des ab dem 7. Lebensmonat zu zahlenden Erziehungsgeldes (Eg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG).

Die am … geborene verheiratete Klägerin hat 3 Kinder, die Töchter … (geboren …), … (geboren …) und … (geboren …). Sie ist nicht erwerbstätig und betreut und erzieht ihre Kinder im gemeinsamen Haushalt zusammen mit ihrem Ehemann … (geboren …). Dieser ist Schwerbehinderter im Sinne des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG); seine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) – seit 01.08.1986 Grad der Behinderung (GdB) – beträgt nach dem Bescheid des Versorgungsamts … vom 09.02.1978 wegen „Kinderlähmungsfolgen” 100 v.H.. Außerdem sind bei ihm die Vergünstigungsmerkzeichen H (= Hilflosigkeit), G (= erhebliche Gehbehinderung), aG (= außergewöhnliche Gehbehinderung), B (= Notwendigkeit ständiger Begleitung) und RF (= Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) anerkannt.

Die Klägerin beantragte am 06.10.1993 die Gewährung von Eg nach dem BErzGG für ihre Tochter …. Mit Bescheid vom 20.12.1993 bewilligte die Beklagte der Klägerin die beantragte Leistung für die ersten 6 Lebensmonate des genannten Kindes in Höhe von monatlich 600,– DM und für den 7. bis 24. Lebensmonat in Höhe von nur noch monatlich 49,– DM. Dabei wurde davon ausgegangen, daß der erwerbstätige Ehemann der Klägerin aufgrund des Einkommensbescheides des Finanzamts … vom 25.02.1993 im Kalenderjahr 1991 Einkünfte in Höhe von 68.382,– DM erzielte. Die Klägerin selbst hatte im Jahre 1991 kein Einkommen. Abzüglich der Einkommenssteuer (6.776,– DM), des Solidaritätszuschlages (254,10 DM) sowie der Vorsorgeaufwendungen (7.020,– DM) errechnete die Beklagte ein nach § 6 BErzGG maßgebliches Einkommen von 54.331,90 DM. Da dieser Betrag die Einkommensgrenze entsprechend § 5 Abs. 2 BErzGG von 37.800,– DM (unter Berücksichtigung der beiden älteren Töchter) um 16.531,90 DM übersteigt, ergab sich entsprechend § 5 Abs. 3 BErzGG ein Minderungsbetrag von 551,06 DM (1/30 von 16.531,90 DM), was letztlich zu einem Betrag von 48,94 DM (gerundet von 49,– DM) ab dem 7. Lebensmonat führte.

Den hiergegen am 24.01.1994 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin im wesentlichen damit, daß die Beklagte bei der Einkommensberechnung weder die außergewöhnlichen Belastungen ihres schwerbehinderten Ehemannes in Höhe von 3.619,– DM noch den Behinderten-Pauschbetrag von 7.200,– DM berücksichtigt habe. Würden diese beiden Beträge einkommensmindernd abgezogen, ergebe sich ein Jahreseinkommen von 43.512,90 DM, so daß ihr Eg ab dem 7. Lebensmonat ihrer Tochter … in Höhe von 410,– DM zustünde. Sie wisse zwar, daß das BErzGG Abzüge dieser Art nicht gestatte. Diese Regelung sei jedoch verfassungswidrig, da sie dazu führe, daß eine leistungsgerechte Eg-Bemessung bei Familien mit dauerhaft körperbehinderten Familienmitgliedern nicht möglich sei. Ein Behinderter werde mit Nichtbehinderten gleichgestellt, ohne die sich aus der Behinderung ergebenden Unterschiede zu anderen Eg-Beziehern zu berücksichtigen. Es handele sich damit um einen Verstoß gegen das Willkürverbot nach Artikel 3 Grundgesetz (GG), der aufgrund der bestehenden sachlichen Unterschiede nicht gerechtfertigt sei. Es sei in der Rechtsprechung zwar anerkannt, daß der Gesetzgeber bei der Bemessung von Sozialleistungen eine typisierende Betrachtungsweise vornehmen dürfe, so daß nicht jede Minderung des Einkommens zu berücksichtigen sei. Die typisierende Betrachtungsweise dürfe jedoch nicht dazu führen, daß eine ganze Bevölkerungsgruppe, deren Jahreseinkommen unfreiwillig und in besonders krasser Höhe gemindert werde (im Falle ihres Ehemannes um 20 %), nach den gleichen Grundsätzen behandelt werde wie andere Eg-Bezieher, deren Einkommensminderung auf einer freiwilligen Entscheidung (z.B. Abschreibungen aufgrund Hausbaus) beruhten. Daß solche freiwilligen Aufwendungen, die steuerrechtlich anerkannt würden, im Sozialrecht unberücksichtigt blieben, beruhe auf nachvollziehbaren Erwägungen des Gesetzgebers. Anders verhalte es sich in ihrem Falle: Die Aufwendungen ihres Ehemannes (behindertengerechte Wohnung; hohe Pkw-Kosten, da eine Fortbewegung nur mit dem Kraftfahrzeug möglich sei; erhöhter Kleiderverschleiß; Notwendigkeit ständiger Heilbehandlungen) könnten nicht mit derartigen Luxusaufwendungen wie einem Hausbau gleichgesetzt werden. Die typisierende Betrachtungsweise selbst beruhe also auf einer fehlerhaften Voraussetzung und führe zudem zu einem Ergebnis, das mit dem verfolgten Zweck nicht mehr in Einklang stehe. Es müsse auch Familien mit Behinderten möglich sein, ein im Vergleich zu Nichtbehinderten angemessenes Leben zu führen. Das Eg nach dem BErzGG diene der Förderung der Familie und solle daher auch Behinderten ermöglichen, eine Familie zu gründen. Bei einer nur leichten Abwandlung ihres Fal...

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