Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietkaution. Darlehen. Tilgung durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs. Beschränkung auf insgesamt drei Jahre

 

Orientierungssatz

1. Die Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens ist in verfassungskonformer Auslegung des § 42a Abs 2 SGB 2 und in Anlehnung an § 43 Abs 4 S 2 SGB 2 auf insgesamt drei Jahre zu beschränken.

2. Az beim LSG Berlin-Potsdam: L 29 AS 1644/17.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 23. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2016 wird abgeändert und Ziffer 2 des Tenors des Bescheides wie folgt gefasst:

Der Rückzahlungsanspruch wird ab dem 01. Oktober 2015 bis zum 30. September 2018 durch monatliche Aufrechnung des Regelbedarfs in Höhe von 39,90 € getilgt, insgesamt in Höhe von 1.436,40€.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger 40 von Hundert seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens über insgesamt vier Jahre und zehn Monate.

Mit Bescheid vom 31. August 2015 erhielt der Kläger die Zusicherung zu einem Umzug aufgrund der Trennung von seiner zwischenzeitlich geschiedenen Ehefrau mit Einzug der gemeinsamen fünf Kinder auf der Grundlage des sogenannten Wechselmodells.

Laut Mietvertrag vom 04. September 2015 betrug die monatliche Grundmiete für das ab 1. Oktober 2015 beginnende Mietverhältnis 764 Euro, die Vorauszahlungen auf die kalten Betriebskosten 134 Euro und auf die Heizkosten 124 Euro, insgesamt 1.022,00 Euro. Als Kaution war gemäß § 12 des Mietvertrages bei Abschluss des Vertrages eine Mietsicherheit in Höhe von 2.292,00 Euro fällig.

Am 8. September 2015 beantragte der Kläger die Übernahme der Mietkaution als Darlehen für die angemietete Wohnung. Der Beklagte übernahm mit Bescheid vom 23. September 2015 die Mietkaution in voller Höhe als Darlehen. Gleichzeitig entschied er unter Ziffer 2.: “Der Rückzahlungsanspruch wird ab dem 01.10.2015 bis zum 30.06.2020 durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 39,90 Euro und vom 01.07.2020 bis 31.07.2020 in Höhe von 17,70 Euro getilgt.„ Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Voraussetzungen für die darlehensweise Übernahme der Kaution als Darlehen gem. § 22 Abs. 6 S. 1 2. Halbsatz SGB II lägen vor, weil der Kläger den Bedarf weder durch ungeschütztes noch durch geschütztes Vermögen oder auf sonstige Weise decken könne. Zu Ziffer 2) des Bescheides führte er aus, Rückzahlungsansprüche aus dem Darlehen seien ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 von Hundert des maßgeblichen Regelbedarfs getilgt, wobei der monatliche Regelbedarf 399 Euro betrage. Im Übrigen sei der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehen sofort in Höhe des noch nicht getilgten Betrages bei Rückzahlung durch den Vermieter bzw. bei Beendigung des Leistungsbezugs fällig.

Den Widerspruch des Klägers gegen die Tilgungsbestimmung im Bescheid vom 23. September 2015 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2016 als unbegründet zurück. Dabei führte er unter anderem aus, es sei kein atypischer Fall darin zu entdecken, dass die auf § 42 a Abs. 2 SGB II basierende Kürzung des Regelbedarfs über einen längeren Zeitraum erfolge, da die Aufrechnung nach § 42 a Abs. 2 SGB II zwingende gesetzlich vorgeschriebene Rechtsfolge der Darlehensgewährung nach § 22 Abs. 6 S. 3 SGB II sei. Auch ein nicht nur vorübergehender Zeitraum begründe keinen atypischen Fall. § 42 a SGB II sei auch keine Ermessensnorm, so dass von der Aufrechnung nicht abgesehen werden könne. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 42 a SGB II bestünden nicht.

Der Kläger hat hiergegen am 18. Februar 2016 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben. Er ist der Ansicht, das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 klargestellt, dass eine dauerhafte Kürzung des Existenzminimums, wie sie hier mit den Mietkautionsleistungen verbunden sei, nicht erfolgen solle und verfassungswidrig sei. Er ist der Ansicht, die Höhe des Aufrechnungsbetrages sei in keiner Weise gesetzlich berechnet oder auch nur in Bedarfspositionen festgelegt, sondern rein willkürlich bestimmt. Die pauschale prozentuale Kürzung ignoriere den tatsächlichen Bedarf. Für die Gewährung einer Mietkaution sei ein Betrag nicht im Rahmen der Berechnung des Regelsatzes enthalten. Er ist weiterhin der Ansicht, eine fast fünf Jahre bestehende Aufrechnung käme einer dauerhaften Kürzung unter das Existenzminimum gleich und hält die Regelung des § 42 a SGB II für verfassungswidrig. Vergleichbar würde bei gleichem Sachverhalt für Leistungsempfänger nach dem SGB XII die Tilgung eines Darlehens nur 5 von Hundert des Regelbedarfs betragen, § 37 Abs. 4 SGB XII.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 23. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2016 hinsichtlich des Verfügungssatzes über den Rückzahlungsanspruch zu 2. aufzuheb...

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