Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens über 22 Monate verfassungsgemäß

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Notwendige außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens über 22 Monate mit monatlicher Höhe von 39,90 Euro.

Mit Bescheid vom 23. Juli 2015 übernahm der Beklagte nach vorheriger Zusicherung zum Umzug aufgrund des Antrags des Klägers die Mietkaution in Höhe von 882,03 Euro als Darlehen für die angemietete Wohnung im B 7 in P. Gleichzeitig entschied er: “Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt durch die Aufrechnung gem. § 42 a Abs. 2 und Absatz 3 SGB II ab 1. August 2015 in monatlichen Raten in Höhe von 39,90 Euro. Bestandteil dieses Bescheides sind die Vereinbarungen in der Sicherungsabtretung vom 23. Juli 2015.„ Eine weitere Begründung der Aufrechnungsentscheidung erfolgte nicht.

Den Widerspruch des Klägers gegen die Tilgungsbestimmung im Bescheid vom 23. Juli 2015 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2015 als unbegründet zurück. Dabei führte er unter anderem aus, Rückzahlungsansprüche aus dem Darlehen seien ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 von Hundert des maßgeblichen Regelbedarfs getilgt. Die Rückzahlung während des Mietverhältnisses sei nicht ausgeschlossen durch § 42 a Abs. 3 S. 1 SGB II, wonach im Zeitpunkt der Rückzahlung der Mietkaution durch den Vermieter der Darlehensbetrag sofort fällig werde. Vielmehr beziehe sich die Vorschrift auf den noch nicht getilgten Darlehensbetrag. Hinsichtlich der Höhe der monatlichen Aufrechnung bestehe auch kein Ermessen der Behörde, was durch den Wortlaut und die Gesetzesbegründung deutlich werde, wonach das bisher eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Höhe der Aufrechnung aus Vereinfachungsgründen entfallen sei. Dass sich der Tilgungszeitraum auf einen nicht unerheblichen Zeitraum beziehen kann, führe nicht zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 42 a SGB II.

Der Kläger hat hiergegen am 28. Oktober 2015 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben. Er ist der Ansicht, die Einbehaltung von 39,90 Euro im Monat verstoße gegen das Recht.

Der Kläger beantragt sinngemäß im schriftlichen Verfahren,

die Rückzahlungsverpflichtung in Form der Aufrechnung in Höhe von monatlich 39,90 € gem. § 42 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II aus dem Bescheid vom 23. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt den Vortrag aus den angegriffenen Bescheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2017 sowie der beigezogenen Verwaltungsakte zu BG-Nr. Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte in Abwesenheit des Klägers nach Durchführung einer einseitigen mündlichen Verhandlung entscheiden, da der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung am 26. Mai 2017 mit Postzustellungsurkunde und Belehrung über die Entscheidung in seiner Abwesenheit nicht zum Termin der mündlichen Verhandlung erschienen war.

Die Klage hat keinen Erfolg. Angegriffen ist nicht die Übernahme der Mietkaution als Darlehen als solche, sondern einzig die Tilgungsbestimmung in dem Bescheid vom 23. Juli 2015.

Eine Beschränkung der Klage auf diesen Teil ist auch zulässig. Denn die schriftliche Aufrechnungsbestimmung gegenüber dem Darlehensnehmer stellt einen selbständig angreifbaren Verwaltungsakt dar, vgl. Wortlaut § 42 a Abs. 2 S. 2 SGB II. Der Bescheid vom 23. Juli 2015 regelt neben der Darlehensgewährung die Rückzahlungsmodalitäten aus der Darlehensbewilligung. Diese sind trennbar und könnten auch mit gesondertem Bescheid ergehen.

Hinsichtlich der Aufrechnung von Darlehen besteht seit April 2011 die Sondervorschrift des § 42 a SGB II. Danach werden gemäß § 42 a Abs. 2 S. 1 SGB II Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs getilgt. Für Aufrechnungen im Rahmen von § 43 SGB II bei Erstattungsansprüchen und Ersatzansprüchen gilt eine prozentuale Spanne von 10 bis maximal 30 Prozent des Regelbedarfs als aufrechenbarer Betrag. Während eine Höchstanzahl der Monate der Aufrechnung im § 42 a SGB II zur Tilgung eines Darlehens nicht vorgegeben ist, endet gem. § 43 Abs. 4 S. 2 SGB II die Aufrechnung in den Fällen des § 43 SGB II spätestens drei Jahre nach dem Monat, der auf die Bestandskraft der in Absatz 1 genannten Entscheidungen folgt.

Durch die Aufrechnung nach § 42a SGB II ist das verfassungsrechtliche Existenzminimum nach Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) betroffen, so dass auch nach Schaffung der gesetzlichen Grundlage für die Aufrechnung der in dem vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 09. Februar 2010 (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) betonte Grundsatz zu beachte...

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