Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietvertrag zwischen minderjährigem Kind und Elternteil. beschränkte Geschäftsfähigkeit. schwebende Unwirksamkeit. Genehmigung durch gesetzlichen Vertreter. gemeinschaftliche Vertretung durch die Eltern. unzulässiges Insichgeschäft. fehlende Vertretungsmacht. Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter Mietverträge. Scheingeschäft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schließt eine minderjährige Leistungsberechtigte mit ihrer Mutter (und gesetzlichen Vertreterin) einen Mietvertrag über ein Zimmer in der elterlichen Wohnung, so ist dieser zivilrechtlich nicht wirksam und deshalb für die Höhe der Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II nicht relevant.

2. Der Vertrag ist nach § 107 BGB schwebend unwirksam. Die Eltern konnten den Vertrag nicht nach § 108 BGB genehmigen. Bei der Mutter würde ein Verstoß gegen § 181 BGB vorliegen, der Vater hätte wegen § 1629 Abs 2 BGB iVm § 1795 Abs 1 Nr 1 BGB für das Geschäft mit seiner Ehefrau keine Vertretungsmacht.

3. Deshalb kann offen bleiben, ob ein Scheingeschäft nach § 117 BGB vorliegt, eine Vertretung des Kinds und der Abschluss des Mietvertrags nur gemeinschaftlich möglich waren und, ob § 1822 Abs 1 Nr 5 BGB (Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter Mietverträge) iVm § 1643 Abs 1 BGB anwendbar ist.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt mit dem vorliegenden Verfahren weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für Kosten der Unterkunft und die Regelbedarfsstufe 1.

Die am 14.11.2006 geborene Antragstellerin (A) ist nach einer vorgelegten Geburtsurkunde vom 08.08.2012 die Tochter von B und C (Bl. 31 der Verwaltungsakte - VA). Sie beantragte am 24.02.2022 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Dabei wurde der Antragstellerin der vereinfachte Antrag für Bewilligungszeiträume mit Beginn vom 01.03.2020 bis zum 31.03.2022 ausgegeben. In einer vorgelegten Mietbescheinigung vom 27.02.2022 wurde bescheinigt, dass die Antragstellerin in einem Mietverhältnis bei ihrer Mutter (B) stehe. Die Gesamtfläche des Gebäudes betrage 151 qm, an die Antragstellerin seien ein Zimmer, Küche und Bad vermietet worden. Die Antragstellerin habe ein Mietzins in Höhe von 250,00 EUR zu zahlen. Bezüglich weiterer Einzelheiten der Mietbescheinigung wird auf Blatt 8 der VA verwiesen.

Nach einer Bescheinigung der Emsländischen Frauenarztpraxis vom 21.02.2022 bestand zu dem Zeitpunkt bei der Antragstellerin eine Schwangerschaft in der 9. + 3. Woche „post menstruationem“.

Am 24.02.2022 wurde „zwischen B, [Adresse] und C [Adresse]“ ein schriftlicher Mietvertrag über ein möbliertes Zimmer geschlossen. Es werde ein 23 qm großes Zimmer unter der Anschrift D-Straße in E vermietet. Es dürften die Küche, das Bad, die Toilette und weiteres mitbenutzt werden. Der Mietzins wurde auf 280,00 EUR festgelegt (§ 3 Abs. 1 des Mietvertrags - MV). Die Nebenkosten sollten als Pauschale in Höhe von 100,00 EUR erbracht werden (§ 3 Abs. 2 MV). Laut § 2 Abs. 1 des MV wurde dieser Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Kündigungsfrist betrug nach § 2 Abs. 2 des MV drei Monate. Nach § 3 Abs. 1 des MV ist die Miete durch Überweisung des Jobcenters zu entrichten. Unterschrieben wurde der Vertrag auf Seiten des Vermieters von der Mutter der Antragstellerin. Bei dem Feld „Mieter“ findet sich eine Unterschrift, die als „[Nachname von Vater und Tochter]“ zu lesen sein dürfte. Für weitere Einzelheiten des Vertrags wird auf Blatt 62-65 der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

In einer E-Mail vom 10.03.2022 vermerkte der Mitarbeiter des Antragsgegners, Herr F, dass die Miete, die von der Tochter verlangt werde, nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen seien. Es bestehe kein Mietvertrag bzw. ein ernsthaftes Mietverhältnis zwischen der Antragstellerin und ihren Eltern. Allerdings seien die Kosten der Unterkunft des Hauses der Eltern einschließlich der Nebenkosten bei der Berechnung anteilig zu berücksichtigen. Es bestehe grundsätzlich eine Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern. Einkommen der Eltern sei nicht zu berücksichtigen, § 9 Abs. 3 SGB II. Am 10.03.2022 wurde bei dem Antragsgegner intern vermerkt, dass monatliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 159,00 EUR nachgewiesen seien. Zudem wurde ein Betrag von 249,00 EUR aufgeführt.

Mit Bescheid vom 11.03.2022 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.07.2022 Leistungen nach dem SGB II. Der monatliche Gesamtbetrag wurde für den Monat 2/2022 auf 859,00 EUR festgesetzt. Dabei wurde bei den Kosten der Unterkunft ein Betrag von 102,00 EUR in die Bedarfsberechnung eingestellt, wobei 62,25 EUR auf Betriebskosten und 39,75 EUR auf Heizkosten entfielen. Für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die Eltern B und C und die Schwester G wurde jeweils ebenfalls ein Betrag von 102,00 EUR bei der Berechnung berücksichtigt. Dies dürfte auf der kopfteiligen Zuordnung der Kosten ...

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